Liebe ergeben gewesen ist und bei ehelichen Mißhelligkeiten stets die Partei der Stiefmutter ergriffen hatte. An ihrer Seite und von ihr mit großer Geduld betreut, hat Tante Lise ihre letzten Jahre in Berlin- Weißensee, Langhansstraße, verlebt und durfte sich dankbar glücklich preisen, eine so sorgliche liebevolle Pflegerin zu haben. Die Trauerfeier für sie fand 1923 auf dem Kirchhof an der Gerichtsstraße am Wedding statt, die Asche wurde nach Neuruppin überführt und im Grab ihrer Mutter beigesetzt.
Besser dagegen hat sich das Leben ihrer älteren Schwester Jenny gestaltet. Anfänglich zwar, nach ihrer Verlobung mit dem unbemittelten Gehilfen Hermann Sommerfeldt der väterlichen Apotheke in Letschin im Oderbruch, konnte sie nur einen Lebensstandard erwarten, wie ihn ihr auch das im Wohlstand arg- zurückgegangene Elternhaus geboten hat. Aber der Bräutigam war eine energische, das Leben zwingende Natur mit großer kaufmännischer Begabung, die ihm über den Apothekerstand hinaus finanzielle Erfolge brachte. Frau Jenny, die ohne Frage zu Hause ,die Hosen anhatte“ — freilich in einer fast gemütlich anzusprechenden Weise — ließ sich solche Verbesserungen ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse gnädig gefallen, gab aber zeitlebens die Haltung der Prinzipalstochter gegenüber dem Gehilfen nicht ganz auf.
Sie hat, nach Ansicht unserer Familie, meinem Vater als Vorbild der Titelheldin in seinem Roman ,Frau Jenny Treibei“ gedient, war ihrem Wesen nach aber doch wohl liebenswürdiger, weil sie eben keine geborene Bürstenbinder aus der Adlerstraße war. Allerdings lebte Tante Jenny nicht ganz ungestraft in der Atmosphäre der Köpenickerstraße und hatte ein gewisses Bourgoistum angenommen, das aber bei ihrer humorigen Veranlagung nicht sonderlich störte. Ich habe sie mit ihren lebhaften Augen und ihrem gewellten Scheitel noch in gutem Gedächtnis.“
Soweit der Bericht des Sohnes Theodor Fontanes über seine Tanten Elise und Jenny. In der Zeitungs-Ausschnitt-Sammlung des Theodor- Fontane-Archivs befinden sich zwei Berichte von und über Elise Weber- Fontane, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten möchten.
Elise Weber-Fontane gewährte 1916 einem Redakteur des „Neuen Wiener Journal“ ein Interview, das vom „Literarischen Echo“ am 1. Oktober übernommen wurde. Hier äußerte sich Elise Weber-Fontane über ihren Bruder Theodor, wie folgt:
„Von welcher Sorglosigkeit mein Bruder war, ergibt sich auch aus folgendem: Er war mit meiner Schwägerin einige Jahre verlobt gewesen, und da sich das zur Heirat notwendige Einkommen nicht einstellen wollte, so heiratete er eines Tages ohne Einkommen, und da man doch als gebildeter Mensch mit einer jungen Frau nicht gut in Stube und Küche hausen kann, so mietete er kurzerhand in der Puttkammerstraße, die heute eine minderwertige Gegend ist, aber damals zu den besten Vierteln der Stadt gehörte, eine Vier-Zimmer-Wohnung in der ersten Etage. Sie kostete etwa vierhundert Taler, also zwölfhundert Mark. Das ist ja nun für heutige Begriffe nicht viel, war aber für damalige
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