Heft 
(1974) 19
Seite
164
Einzelbild herunterladen

Begriffe nicht etwas Ungeheuerliches. Aber mein Bruder hatte es nicht

er war Hilfsbeamter im preußischen Ministerium des Innern. Die Folge seines Leichtsinns war, daß man schon nach kurzer Zeit in eine kleinere und billigere Wohnung ziehen mußte und dort ging es dann halbwegs. Meine Schwägerin war ja auch mittlerweile dahinter gekommen, daß der liebe Theodor im Rechnen mit Einnahmen und Ausgaben ein außerordentlich schwach begabter Mann war.

Ich kann gar nicht beschreiben, wie schwer meine Schwägerin oft zu kämpfen hatte, um den Haushalt auf einer halbwegs anständigen Höhe zu halten. Dabei durfte Theodor von ihrem Kummer gar nichts erfahren

erstens hätte er kein rechtes Verständnis dafür gehabt, und zweitens hätte es ihn bloß bei der Arbeit gestört.

Zwar war die Ehe meines Bruders äußerlich und innerlich ungemein glücklich niemals hat es Zank und Streit gegeben, aber so recht zum Bewußtsein gekommen ist es meinem Bruder nie, was für ein Juwel von einer Frau er gefunden hatte, und deshalb finde ich, daß meine Schwä­gerin in den Biographien meines Bruders und in seinen Briefen (die ja auch gesammelt erschienen sind) viel zu dürftig wegkommt. Ich bin weit entfernt davon, meinem Bruder seine großen und kleinen menschlichen Schwächen allzudick anzukreiden, aber die Wahrheitsliebe gebietet mir zu sagen, daß er oft ein seltsamer Kauz war und daß meine Schwägerin unter den Seltsamkeiten seines Wesens nicht wenig zu leiden hatte sie trug es still, darum aber nicht minder schwer.

DieVossische Zeitung brachte am 18. Juli 1923 in ihrer Abendausgabe folgenden Bericht:Am 14. Juli ist in Berlin-Weißensee Frau Elise Weber, die jüngste Schwester Theodor Fontanes, nach langem Leiden verschieden. Der Tod hat es mir ihr weniger gnädig als mit ihrem vor beinahe 25 Jahren verstorbenen Bruder gemeint; ihr allzu gutes Herz hat sie fast ein Jahrzehnt lang ein Leben ertragen lassen, das sie dauernd ans Haus fesselte, und hat noch während der letzten Monate einer Reihe von Schlaganfällen getrotzt. Nun ist sie hinüber, die so anregend und pointiert zu plaudern verstand und in sarkastisch-witziger Weise an den Dingen, lieber noch an den Personen, Kritik übte. Für einen Biographen, dem es nicht nur auf den Werdegang des Dichters, sondern auch des Menschen Fontane angekommen wäre, ist mit der in ihrem 85. Jahre Entschlafenen eine starke Quelle ebenso interessanter wie intimer Mitteilungen versiegt. Es war noch vor wenigen Monaten geradezu ein Hochgenuß, der alten Dame zuzuhören, wenn sie mit erstaunlichem Gedächtnis und fast jugendlicher Frische aus der Ver­gangenheit erzählte, wobei übrigens der große Bruder und Pate gar nicht immer gut abschnitt, während alles, was sie von ihrer Schwägerin sagte, wie ein Hohes Lied auf Emilie Fontane anmutete. Auch Frau Weber-Fontane hat unter den Verhältnissen des Elternhauses gelitten und würde in anderer äußerer Lage ein bevorzugtes Leben haben führen können, zu dem sie, wie wenige vorher, bestimmt zu sein schien. Neben den Vorzügen ihres Geistes und Wesens besaß sie eine Schönheit, die in ihrer Jugend selbst innerhalb der Familie berückend wirkte, und