, „Such nicht, wie’s eigentlich gewesen,
Wolle nicht in den Herzen lesen.“ 69
Das Problem „Lau“ verbleibt Fontane von Kindheit an. Diesem erwächst in den kommenden Jahrzehnten — autobiographisch, autognostisch — aus der Sympathie mit dem einstigen Lehrer ein Mitleiden der Lau’schen Liberalität, des Lau’schen Geschicks aus der Feme. Ein Mitreifen mit der Gestalt seines Lehrerfreundes, trotz des Getrenntseins, geht vor sich, bis sich eine Fontanesche Vorstellung des Jugendwesens Lau’s 1892 durch Niederschrift fixiert.
August Lau’s Lebensplan „Hauslehrer — Schullehrer — Pfarrer“ wird im deutschen 19. Jahrhundert vielfach versucht, befolgt, verwirklicht. Jeweiligem Beginn vor allem — „Fürs erste muß ... gehauslehrert werden“ 70 — gilt wieder und wieder die Aufmerksamkeit Fontanes.
Im historischen Bereich seines Schaffens begegnen uns so Lau verwandte „Hofmeister“: Präzeptor Sachse, „ein tapferes Herz“ 71 , Dr. Paetsch, „für Schleiermacher enthusiasmiert“ 72 , Louis Koenigk, „Er war für Freiheit und kam auf die Festung“. 73
Zwischen Theodor Fontane und August Lau, Knabe und Jüngling, ein Band der Liebe — gewoben aus Einklang und Gegensatz!
„Entsagen und Lächeln bei Demütigungen,
Das ist die Kunst, die mir gelungen“, 74
so bekennt Fontane von sich: gleiches Kennzeichen des Sanguinikers — so Fontane — gesteht dieser Lau zu. „Ich habe mir manches in meinem Leben gefallen lassen müssen, aber das darf ich sagen: nie mehr als ich mußte.“ 75 Diese Versicherung Fontanes — würde sie nicht wiederum auch für Lau gelten dürfen?
Inmitten Swinemünder Pseudo-Konsuln ist Lau getragen durch das Hochgefühl seiner Latinität. Der alte Fontane versteht diesen Superioren Zustand aus eigener Lehrlingszeit. Sein Selbstgefühl steht in dieser statt unter dem Zeichen unliebsamer Geschäfte unter dem eigener früher Verse.
Der körperfrohe Fontane ist andererseits angesprochen durch den gegenteilig bedachten Lau, durch dessen im Ansatz tragische Züge. Auf Fontane hat, wie er sagt, „ ... alles Krumme und Schiefe ... von Jugend auf einen großen Reiz ... ausgeübt“. 76
Die Kindheitsbegegnung mit dem in enger, wohlgesinnter Umgebung seine Disposition zu trocken gelehrtem, vielleicht skurrilem Wesen noch jugendfrisch durchbrechenden August Lau begründet mit das Vermögen Fontanes, durch ein Äußeres hindurch den Kern eines Menschen tiefer zu erfassen — wobei Fontane sich der Grenzen seiner Lau-Erkenntnis bewußt geblieben sein dürfte:
Was wir in Welt und Menschen lesen,
Ist nur der eigne Widerschein“. 77
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