Heft 
(1974) 19
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müssen es sich gefallen lassen, von eindeutiger offizieller Derbheit über­fahren zu werden.

Wie so mancher unter uns Älteren erinnert sich dieses oder jenes viel­wissenden Lehrers, der vor der Schulklasse versagte!

Nach fünf absolvierten Examina gebricht es Dr. Lau gegenüber einer sich abzeichnenden Entwicklung der Wittstocker Stadtschule zu höherer Bürgerschule an einer sechsten Qualifikation, derfacultas docendi.® 1 Steckt gleichwohl auch in Lau der durch Fontane zuweilen perhorreszierte Examenspreuße? Läßt er Fluidum und Charme seines Wesens über­forden! ?

Laus Rührigkeit, sein innerer Fond, sein wissenschaftliches Engagement, lassen es nicht dazu kommen, daß seine Wittstocker Konrektor-Jahre mit ihren Depressionen, dem Bewußtsein, am falschen Platz zu stehen, zu einem Martyrium führen. Vielmehr verdankt Dr. Lau einer aus seinem Lehrerschicksal erwachsenden Charakterkrise, einer Neubesin­nung und Ermannung eine wenn auch kurze Periode politischer Aktivität.

Seine neuropsychische Problematik verstattet ihm also immerhin eine Zeitspanne des sein schulisches Defizit kompensierenden und seine Natur wieder festigenden Einsatzes für das allgemeine Wesen.

In unseren Wittstock-Akten zeigt sich eine sich auflösende Kleinbürger- Gesellschaft, ein Kampf der politischen Lager, es zeigt sich mit Fontane zu sprechen die alte Gesellschaft alsScheusal. 90 Hinter den im Vordergrund agierenden Gestalten beginnen sich starke sowohl demo­kratische wie proletarische Kräfte zusammenzufinden.

Laus Bewährung in dieser Turbulenz, sein Wirken als Demokrat wur­zeln in dem Handwerker-Sohn, in dessen beruflicher Bedrängnis, in seiner Exzelsior-Haltung 91 , im Aufbruch dieser Jahre deutscher Ge­schichte (einer seiner reaktionären Beurteiler sagt:in den Einflüssen und Lockungen der bösen Zeit 92 ); sie beruhen in Laus Willen und Entscheidung.

EndlichLern überwinden, lern entsagen 93 bedarf und bedient sich Lau seit seinem 50. Geburtstag in seinem Tätigsein rigoroser Beschränkung,eines kleinen Kreises 94 , um für letzte drei Lebens­jahrzehnte ganz er selbst zu werden.

Wo und wie spricht Fontanes Lau-Erlebnis etwa aus Fontanes Dichtung? Fontanes ErinnerungsbuchMeine Kinderjahre ermöglicht und bereitet vor den RomanEffi Briest. 95 Ist es so Lausdhe Resignation, wenn der kleine buckelige Apotheker Gieshübler inEffi Briest bekennt:

... ich bin eigentlich nie jung gewesen. Personen meines Schlages sind nie jung, ich darf wohl sagen, das ist das traurigste der Sache. Man hat keinen rechten Mut, man hat kein Vertrauen zu sich selbst, man wagt kaum, eine Dame zum Tanz aufzufordern, weil man ihr eine Verlegenheit ersparen will. .

Ein Lau-Passus erscheint nachmals imStechlin. Dubslav v. Stechlin sagt im Hinblick auf einen Anonymus: ... ich habe einmal einen Poeten gesehen, mit einem kleinen Verdruß und einer Goldbrille, die er bestän-

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