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Berlin 6. Dezb. 94. Potsd. Str. 134. c.
Hochgeehrter Herr.
Eben erhalte ich Ihre freundlichen Zeilen, für die ich Ihnen ganz besonders dankbar bin. Ich bitte also meine Stimme auf Sie übertragen zu dürfen, was mir ganz besonders gut paßt, weil ich glaube, daß wir in solchen Stücken ganz gleich empfinden.
Lippmann 1 ist ein eminent kluger Herr und hat nichts gesagt, was ich nicht für durchaus richtig anerkennen müßte; die Dinge liegen so, wie er sie schildert; mehr Geld, mehr Zeit, kleineres Format, alles sich von kleinen Anfängen aus entwickeln lassen, — ich kann zu allem nur ja sagen. Und doch so richtig das alles ist, es ist trotzdem nicht das Richtige. Wenn eine Armee in drei großen Colonnen marschirt, Aufbruch 3 Uhr und um 8 sollen alle drei Colonnen auf dem vorbestimmten Schlachtfeld Zusammentreffen, so muß man sie marschiren lassen, darf den bereits angetretenen Marsch nicht unterbrechen, wenn man auch inzwischen erfahren hat, daß die Wege für die Hauptcolonne beinah unpassirbar sind. Es wird das zu Fatalitäten führen, aber immer noch zu geringeren, wie wenn die Colonne umkehrt, um den besseren Weg zu suchen. Das Neugewollte schafft ein illustrirtes Blatt mehr; das Alte war etwas vielleicht Unpraktisches, aber dafür Eigenartiges in jedem Betracht und nur dadurch und drauf hin „des Schweißes der Edlen“ 2 werth. In vorzüglicher Ergebenheit
Th. Fontane.
Gedruckt nach dem Original; Erstveröffentlichung in Theodor Fontane, Briefe an die Freunde. Letzte Auslese, a. a. O., 2. Band, S. 547 f.
1 So in der Handschrift; der Druck in der „Letzten Auslese“ hat nur die Abkürzung „L.“. In einer Fußnote wird auf „A. Lichtwark, die Entwicklung des PAN. in: Pan, Jg. 1895, III, 173 f.“ verwiesen. Daß Fontane diesen Aufsatz nicht gemeint haben kann, geht bereits aus dem Datum des Briefes hervor. Die im Folgenden referierten Einwände gegen die Gestaltung des PAN nehmen die Auseinandersetzungen vorweg, die während der Herstellung des 3. Heftes zu einer Neuorganisation des Blattes führten. Fontane gehörte dem Redaktionsausschuß danach nicht mehr an, hingegen Lichtwark.
2 Friedrich Gottlieb Klopstock sagt wiederholt in seiner Ode „Der Zürchersee“ (1750), Dichterunsterblichkeit sei „des Schweißes der Edeln wert“.
Berlin 5. Januar 95. Potsd. Str. 134. c.
Hochgeehrter Herr.
Schönsten Dank! Ich hatte es schon gleich in „Nord und Süd“ gelesen. Ich finde es sehr fein und kann Ihrer Intention folgen, aber gestatten Sie mir 2 kleine Ausstellungen: es ist mir nicht leicht genug im Ausdruck (es steckt etwas von einer philosophischen Schulsprache drin) und zum Zweiten — und wohl in einem gewissen Zusammenhänge mit 1 — es erinnert an die Prediger, von denen die Amtsbrüder sagen: „er predigt über die Köpfe der Leute weg.“ Es liegt dies aber mehr am