[ 9 ]
Neu-Brandenburg 10. Juni 97 Augusta-Bad.
Hochgeehrter Herr.
Seit dem Tage — nun wohl schon drei Wochen — wo ich in dem rothen Couvert Baron Liliencrons freundliche Zeilen erhielt, habe ich schreiben und ihm, via Pankow, 1 für den mir gütigst zugedachten Besuch danken wollen. Ich war in letzter Zeit sehr herunter, das hat mich so säumig sein lassen. Seit gestern bin ich hier und hoffe von dieser Flucht in das eigentlichste weil Fritz Reutersche Mecklenburgerthum (er lebte hier 7 Jahre) das Beste. 2
Wie steht es mit der Sammlung? Ich bin selber noch in Rückstand, werde mich aber selbstverständlich mit meinem Wittwenscherflein einstellen, so wie ich wieder zurück bin. Ich hatte Namen und Adresse des Herrn, 3 der sich der geschäftlichen Mühwaltung unterzieht, vergessen.
Mit besten Wünschen für Ihr Wohl, in vorzüglicher Ergebenheit
Th. Fontane.
Erstdruck nach dem Original.
1 In Pankow bei Berlin, Parkstraße 25, war Dehmel damals wohnhaft.
2 Vgl. Fontanes Tagebuch von 1897: „Unsere Sommerfrische war wieder Mecklenburg .. . diesmal Neu-Brandenburg am Tollense-See . . . Wir wohnten in dem eine Viertelmeile vor der Stadt gelegenen Augustabad, halb Hotel, halb Sanatorium . . . Die Mecklenburger wissen zu leben. . . . Ende Juli war ich aus der Fritz Reuter-Stadt (ein Dampfschiff ,Fritz Reuter“ fuhr uns täglich über den See) wieder in Berlin zurück.“ Das Fontane-Buch. Hrsg, von Ernst Heilborn. Berlin: S. Fischer Verlag 1919. S. 195 f.
3 Konsul Auerbach, vgl. die Anmerkung zu Brief Nr. 11.
[ 10 ]
Neu-Brandenburg 11. 6. 97. Augusta-Bad.
Hochgeehrter Herr.
Eben erhalte ich Ihre freundlichen Zeilen vom 10. und beeile mich den Aufruf 1 wieder an Sie zurück gelangen zu lassen. Meine Correktur gebe ich natürlich nur anheim; sie geht aus der oft gemachten Erfahrung hervor, daß wenn man dem Publikum sagt: „es geht schief“ der letzte Rest von Hülfebereitschaft hinschwindet. Viel erwarte ich überhaupt nicht, auch wenn es uns gegeben wäre, mit Engelszungen zu sprechen. Liliencron ist kein Dichter fürs Volk, für Bourgeois und Philister gewiß nicht und für seine Kollegen auch nicht. Die paar Ausnahmen, die da sind, haben kein Geld. Liliencron ist ganz drauf angewiesen, von irgend einem Rothschild eine 3000-Mark-Pension auf Lebenszeit zu beziehn. Oder 10 kleine Rothschilds mit jährlich 300. Die „Nation“ wird nicht viel zusammenbringen. In vorzügl. Ergebenheit
Th. Fontane.
197