Alle diejenigen Partien, die von Irons Bruder, dem ,Jarl Apolonius von Tyra‘, dem Bruder des Jarl Iron, handeln, habe ich ausgeschieden, da mir daran lag, nur das auf den Jarl von Brandenburg Bezügliche hier zu geben. Übrigens ist das dadurch in Wegfall Gekommene nur wenige Seiten zu Beginn der Erzählung. Ein paar Andeutungen sind geblieben. Was die gesamte Wilkina-Sage betrifft, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß diese altnordische Sage nach Erzählungen gebildet wurde, die von Deutschland her nach Skandinavien hinüberkamen. Mit andern Worten: auch die Wilkina-Sage behandelt denselben Stoff, denselben Sagenkreis, dem wir in der Nibelungen-Sage bez. in der Sage von Attila und Dietricti von Bern begegnen, und nur Einzelnes ist von anders her hinzugekommen oder neu hinzugedichtet. Zu diesem Hinzugekommenen oder Hinzugedichteten gehört in erster Reihe die Geschichte von ,Jarl Iron und Isold“. Was zu derselben Veranlassung gab, woher sie kommen, über all das ’existiren nur vage Muthmaßungen, die ich auf sich beruhen lasse.“
Abschließend bemerkt Fontane zu der auch von Grupp erörterten und abgelehnten Behauptung Heffters, daß die Sage erst zur Zeit Ottos I.' 6 , und zwar ihm und seiner Jagdliebe zu Ehren entstanden wäre: „Wenn die älteste Handschrift der Wilkina-Sage aus dem 13. Jahrhundert und eben diese Handschrift schon die Geschichte von ,Jarl Iron“ enthält, so wird es fraglich, ob die betreffende Stelle (die ganze Episode von Jarl Iron) blos dem Markgrafen Otto I. zu Liebe hinzugedichtet sei. Möglich ist es aber doch. Otto I. lebte 1180, so daß ein im 13. Jahrhundert erscheinendes Gedicht sehr wohl einen aus 1180 stammenden Zusatz aufweisen konnte.“
Es bleibt schließlich zu bedauern, daß Fontane, der so Großes in der dramatisch-balladenhaften Schilderung geleistet hat, trotz seiner Vorliebe für die nordische Sagenwelt über die Vorarbeiten nicht hinausgekommen ist und wir keine Darstellung der Sage aus seiner Feder haben.
Anmerkungen
1 Fontane-Blätter Bd. 2, Heft 3, S. 195.
2 H. Fricke, Theodor Fontane. Chronik seines Lebens (1960), S. 66.
3 Herrn Bibliotheksrat J. Schobeß sei hier für den Hinweis auf die 41 Seiten umfassenden Aufzeichnungen und die Bearbeitungsgenehmigung herzlich gedankt.
4 A. Heusler. Die altgermanische Dichtung, 2. A. (1941), S. 4.
5 Friedrich Heinrich von der Hagen (1780—1856): erster Germanist der Berliner Universität; Mitglied der Akademie der Wissenschaften.
6 Sammlung für Altdeutsche Literatur und Kunst. 1. Bd., Breslau (1812), S. 92-t-136.
7 Wilkina- und Niflunga-Saga oder Dietrich von Bern und die Nibelungen. Übersetzt durch Friedrich von der Hagen. 2. Bdch., Breslau (1814), S. 195-261.
8 Nordische Heldenromane. Übersetzt durch Friedrich Heinrich von der Hagen 1. Bdch., Breslau (1814), S. II f. Vgl. a. E. Walter, Zur Entstehung der Thi- driksaga. In: Jahrb. d. Ver. f. niederdeutsche Sprachforschung, 83 (1960), S. 23-28.
9 „der Führnehmste nach dem König wurde Jarl genannt. . . Denn kaum hatte ein König ein Land oder eine Provinz erobert, so bestellte er einen Jarl darüber.“ Des Freyherrn Ludwig von Holberg Dänische und Norwegische
204