Heft 
(1974) 19
Seite
208
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Sofort ließ ich im Laufschritt aufmarschieren und gab, unterstützt durch drei andere Sectionen, Schnellfeuer ab. In zehn Minuten war das Drama abgespielt- Sechzig Todte und Verwundete, hauptsächlich Frauen, die beim Angriff ihre Kinder auf der Brust getragen hatten, lagen um uns herum. Es waren die letzten Mitglieder der fürstlichen Familie und der Pungawas, Idas und Gustis (Reichsgrößen), die nach dem Ritus der Balinesen dem Gatten und Vater in den Tod gefolgt waren. Eine Frau war schwer im Rücken verwundet; sie schaute mich an und flehte Gnade, tödte mich! Natürlich that iehs nicht. Da nahm sie ihren Kris und versuchte, sich zu erdolchen. Aber sie war zu schwach. Sie stach auch nach ihrem Kind, daß imSlentang Hüftentuch) an ihrer Brust hing. Da ging zufällig einem Soldaten neben mir das Gewehr los. Die Kugel traf die Frau im Kopf.

Diese Berichte fanden ihren Weg zum Schreibtisch des Dichters. Lange haben sie dort nicht geschlummert, um nun im poetischne Gewände, wie das niederländische Wochenblatt schreibt,die Leser zu täuschen. Denn eine Täuschung wir wollen annehmen: eine unbeabsichtigte - ist es, die sich der vielgefeierte Dichter hat zu Schulden kommen lassen, so klagt das niederländische Wochenblatt.Nicht in der Absicht, die Balinesenfrauen zu bekehren, sondern um die viehisch geknechteten Sassaks, welche die ihnen [von den Niederländern] vertragsgemäß zu­gesicherte Hilfe erbaten, von ihren balinesischen Unterdrückern zu befreien, unternahmen die Niederländer den Feldzug. Einem so belesenen Manne wie Herrn Fontane kann es auch nicht unbekannt sein, daß der Ritus der Hindus die Balinesen huldigen derselben Glaubenslehre

den Frauen die Verpflichtung auferlegt, ihren Männer in den Tod zu folgen, sei es auf dem Schlachtfeld, sei es auf dem Scheiterhaufen. Ein solch fanatisches Weib ist ein ebenso gefährlicher Gegner, wie ein Mann. Der Dolch oder die Lanze in der Hand eines schönen Hindumädchens sind ebenso todtbringend wie in der Faust eines Kriegers- Ein Dichter mag es vielleicht herrlich Anden, den Kris eines in Vaterlandsliebe erglühten Mädchens in seinem Herzen zu fühlen und möglicherweise im Stande sein, seine erlöschenden Gedanken mit Herzblut zu fixieren

ein Soldat, der das Bajonett mit der Lanze oder dem Dolche kreuzt und einen sterbenden Kameraden zu seinen Füßen niedersinken sieht, denkt darüber anders. Er sieht einen Gegner, der bestrebt ist, ihn zu tödten und übt das Recht des Stärkeren. Herr Fontane darf überzeugt sein, daß dieses Recht des Stärkeren seitens der Niederländer in ihren Colonien mit sehr viel Milde zur Anwendung gelangt. Dies zeigt sich sehr deutlich auf Atjeh. Wollte man dort, ,mit allerlei Volk, verkracht, verdorben, Weibern und Kinder zu Leibe gehen und Dörfer einäschern, so wäre der Friede lange hergestellt, aber Tausende Unschuldiger würden unter den rauchenden Trümmern ihrer Habe begraben liegen. Dies aber wünschen die humanen Niederländer nicht. Lieber:Malt Mynheer in seinem Kontor sich christlich Culturelles vor und zahlt unglaubliche Summen für eine Armee in Atjeh, die lieber in christlicher Ergebung auf sich schießen läßt, ehe sie dem unchristlichen Beispiele anderer