Fontane ist der Ansicht, daß alle Kolonialmächte sich solche Verbrechen haben zuschulden kommen lassen. Aus dieser Sicht kommt der Dichter zu folgenden Erkenntnissen: „Sie sagen Christus und meinen Kattun“ und aus diesem Ekel vor dem englischen Imperialismus entsteht Fontanes bissiges Gedicht aus seinen letzten Lebensjahren: „Britannia an ihren Sohn John Bull“ (1897). 9
Reuter charakterisiert „Die Balinesenfrauen auf Lombok“ folgendermaßen : „Gegenstand sind diesmal die Unmenschlichkeiten niederländischer Kolonialherren, wiederum bemäntelt mit christlich Kulturellem.“ Ich möchte nachfolgend den historischen Hintergrund des Balinesenkrie- ges auf Lombok skizzieren: Die Sunda-Insel Lombok, im 14. Jahrhundert unter dem Herrschaftsbereich Madjapahits, wurde nach dem Zusammenbruch des hindu-javanischen Reiches islamisiert, wonach die Balinesen die Hoheitsgewalt über die Insel gewannen. Nach mehreren politischen und kriegerischen Zwischenfällen regierte seit etwa 1850 der Fürst von Mataram über Lombok mit Hilfe von balinesischen Reichsgrößen. Inzwischen waren die Balinesen die herrschende Kaste auf der Insel geworden- Sie unterdrückten die einheimischen Sassaks und machten deren Familien zu Sklaven. In ihrer Verzweiflung wandten sich die Sassaks mit einer Bitte um Hilfe an das niederländisch-indische Gouvernement. Im Jahre 1894 wurde eine niederländische Truppe nach Lombok geschickt, um gegen die dort herrschenden Balinesen eingesetzt zu werden. Durch Verrat nahm die Expedition ein katastrophales Ende: 185 Mann der eingesetzten Truppen fielen, darunter der Befehlshaber General Van Ham. In Indonesien und in den Niederlanden rief die Niederlage ungeheure Bewegung hervor. In größter Eile wurden die angeschlagenen Streitkräfte mit frischen Ersatztruppen verstärkt. Unter der Führung des Generals Vetter wurde die wichtigste Bastion der Balinesen, der Residenz- und Tempelkomplex Tjakranego, am 18. November 1894 gestürmt. Der Hauptpalast des balinesischen Fürsten, der Puri, mußte in stundenlangen erbitterten Kämpfen Meter um Meter erobert werden.
Nicht nur die vornehmen Balinesen, sondern auch ihre Frauen stürzten sich in ihren schönsten Gewändern und mit Lanzen bewaffnet auf die holländischen und einheimischen Soldaten. Warum suchten auch die Frauen auf diese Weise den Tod? Weil man ihnen von Jugend auf eingebleut hatte, daß sie Kebsweiber der holländischen Soldaten werden sollten, falls sie lebendig in die Hände der „Kompagnie“ fielen!
Aber es gibt noch einen anderen Grund für diesen Selbstmord. Im Femen Osten bestimmt der Adat, eine überlieferte Sitte, auf stärkste Weise das Leben des Einzelnen und der Familie. Der balinesische Adat schrieb vor, daß die Höchsten des Landes und die Verwandten des Fürsten nach dessen Niederlage und Gefangenschaft freiwillig den Tod suchen sollten. Dieser balinesischen Sitte, dem „Puputan“ entsprechend, stürzten sich zwölf der höchstgestellten Männer und fünfzig der vornehmsten Frauen in ihren schönsten goldbestickten Kleidern auf die niederländischen Truppen, wobei alle getötet wurden. 10