barem schrillen Geschrei ein Haufen Balinenser aus dem brennenden Haus auf die Kompanie des Kapitäns Schreiner losgestürmt. Es sind die hier zurückgebliebenen Mitglieder der fürstlichen Familie mit ihrem Gefolge, Poengawa’s, Ida’s, Goesti’s, Männer, Frauen und Kinder. Es sind die „dem Tode Geweihten“, die in ihrer besten goldbehängten Kleidung, gewappnet mit dem heiligen Dolch oder der heiligen Lanze, sch mit größtem Ungestüm auf unsere Truppen werfen. Die berüchtigten Poepotam! Unsere Soldaten schwanken nicht- Ein heftiges Schnellfeuer dezimiert den zusammengeballten feindlichen Haufen, der — je mehr er sich nähert — um so kleiner wird. Nur wenigen gelingt es, bis kurz vor die Bajonette vorzudringen ... niemand erreicht sie. Wer nicht selbst niedergeschossen ist, bringt sich selber mit dem Dolch um, um nicht lebendig in die Hände der Unsrigen zu fallen! So fällt in diesem letzten verzweifelten Ausfall die Blüte von Lomboks Fürstenhaus. ..“
Im Gedicht „Die Balinesenfrauen auf Lombok“ kommt Fontanes Empörung und Pessimismus zum Ausdruck; daß möglicherweise der Dichter die wirklichen Hintergründe des Freitodes nicht gekannt hat oder aber absichtlich fortgelassen hat, hat m. E. weniger Gewicht bei der Beurteilung der dichterischen Handlung, wenn man sie in den Kontext seiner letzten Lebensjahre hineinstellt. Tiefer Pessimismus hinsichtlich der fortschreitenden Grausamkeiten der Kolonialmächte diktierte ihm die Feder, als er in seinem konsequenten Anti-Imperialismus die Verbrechen der deutschen Kolonialbeamten Leist und Wehlau den Eingeborenen Afrikas gegenüber anprangerte:
„Wo liegt Lombok? nun irgendwo —
Übrigens machen es alle so.“
Und so schreibt Fontane am Ende seines Briefes an Friedrich Stephany: „. •. Nur auf Leist, Wehlau, Peters kann man nicht mal ein Gedicht machen, auch nicht, wenn man alter Barde ist...“
Nach fast achtzig Jahren hebt der Weise aus der Potsdamer Straße den Finger, um uns zu mahnen, daß jeder Imperialismus eine immanente Gefahr in der Welt ist und bleibt.
Anmerkungen
1 1894 plante Fontane eine Reise nach Holland in Gesellschaft seines Freundes und späteren Schwiegersohnes, Architekt Fritsch; vgl. die Briefstelle in: Theodor Fontane’s Briefe an seine Familie, Zweiter Band, 4. Auflage, Berlin 1896, S. 307. Es heißt da: „ . .. Über unser Leben wird Dir wohl Mama aus- führlicher schreiben; ein Haupterlebnis war ein Nichterlebnis, das Ausfallen einer nach Holland hin geplanten Reise, auf die ich mich gefreut hatte, um mich schließlich davor zu graulen. Holländische Wiesen verlangen Sonnenschein und Sonnenwetter; bei Regen und Kälte, daran diese Oktobertage reich waren, ist es ein mäßiges Vergnügen. Und wer hat noch Kunstgedanken, wenn er Ursache hat, an eine Leibbinde zu denken? 44
2 Pan, 2. Hälfte des 1. Jahrganges, Heft 4, S. 218, zwischen September 1895 und April 1896 erschienen.
3 Theodor Fontane’s Briefe an seine Familie, 2. Band, 4. Auflage, Berlin 1906, S. 321.
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