Das gleiche Problem wird in dem vorliegenden Entwurf erneut diskutiert, allerdings unter neuen geschichtlichen Bedingungen und bei veränderter Fragestellung.
Auch hier zwar postuliert Fontane einen Wandel in der Gesinnung der Menschen als Voraussetzung einer Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Auch hier soll also der „Geist“ helfen. Doch so nachdrücklich auch Fontane die Bedeutung der Arbeit als der Quelle wahren Glücks betonen mag, so tritt nun im übrigen die Veränderung der ökonomischen Grundlage der Gesellschaft nicht einmal mehr als mögliches, mit erwogenes Mittel auf, um gesellschaftliche Übel zu heilen. Vielmehr wird ein ökonomisches Phänomen, das Geld, aus seinem Wirkungsmechanismus herausgelöst und allein als die Ursache einer Fehlentwicklung der Gesellschaft hingestellt und folglich verurteilt, da es, nach Fontanes Meinung, Anlaß zu einer „falschen Beurteilung der Sachlage“ gibt. Denn es veranlasse die Menschen, einem Idol nachzulaufen, das sie fälschlich für das Glück halten, während es in Wahrheit nur eine Vortäuschung des Glücks sei.
Diese abstrakte, obgleich moralisch gerechtfertigte Verwerfung des Geldes als einer Grundlage des Glücks (Fontane geht es um das „Erlöschen der Sehnsucht danach“) zieht eine sachlich nicht gerechtfertigte Ausschaltung aller „ökonomischen Prinzipien“ aus Fontanes Überlegungen nach sich und verleitet zu der verfehlten Alternative „Glück-Geld“, die in eine Sackgasse führt und Fontane bei dem Bekenntnis zu einem kleinbürgerlichen und unpolitischen, bloß privaten Glücksbegriff enden läßt.
Man darf jedoch darüber die positiven Elemente in Fontanes Argumentation nicht verkennen. Der Dichter kritisiert und verwirft die Auffassung, daß der Erwerb von materiellen Gütern in möglichst großem Umfang „Glück“ bedeute. Er verurteilt dabei ganz eindeutig Unterdrückung und Ausbeutung, z. B. in Gestalt der Kolonialherrschaft. Er stellt fest, daß die eigene Arbeit den Kern des Glücks bildet. Das müßten die Menschen begreifen und erkennen, worin in Wahrheit das Glück besteht. In diesem Sinne schreibt Fontane: „Was ich von der Menschheit erhoffe, das heißt nicht Entsagung, sondern Erkenntnis, das heißt nicht Gleichgültigkeit gegen die Lebensfreuden, sondern Wahrnehmung, richtige Beobachtung, Wahrnehmung, wo diese Freuden sind und wo sie nicht sind“. Und zwar sollen die Menschen erkennen, daß Geld eben nicht Glück bedeutet.
Es ist klar, daß sich Fontane damit gegen die bürgerliche Ideologie und — objektiv — gegen die hemmungslose Profitsucht der Bourgeoisie wendet. Insofern geht Fontane hier wesentlich über die Kritik hinaus, die er in Briefen an der veräußerlichten Lebensführung der Bourgeoisie und seinem Protzentum geübt hat und die in „Frau Jenny Treibei“ zum wenn auch humoristisch behandelten Hauptthema wird. Denn Fontane nimmt nun das Großbürgertum nicht mehr aus, wie er das etwa in seinem Brief an Martha Fontane vom 18. 4. 1884 getan hat 19 .
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