Egoismus ist kein freiwilliger, sondern die unumgängliche Folge der Verhältnisse, ein Produkt der Isolation, er ist „schlecht“ und dennoch „viel, viel eher erträglich, als die aus Schwäche und Bequemlichkeit geborene frere-cochon-schaft“. Das Sichzurückziehen auf das „Du selbst“ wird zwar beklagt, aber „faute de mieux“ hingenommen. Die Ursachen werden zwar mit dem Hinweis auf „den Zwang der Verhältnisse“ global umschrieben, aber nicht näher untersucht. Der Neid, der in „Johann der muntre Seifensieder“ nur eine sekundäre Rolle spielt, ist hier zum ausschlaggebenden Faktor erhoben. Zwar weist das Storm-Zitat noch auf seine ökonomischen Wurzeln hin, doch bleibt es sowohl in Storms Versen wie auch in Fontanes Ausführungen dabei, daß die erzwungene Distanzierung des nach Anerkennung strebenden Einzelnen, zumal des Künstlers, vom „Pöbel“ bzw. von der „Gemeinheit der uns umgebenden Masse“ grell hervortritt. Weder werden ernsthaft die Gründe erforscht, noch wird ein Ausweg gesucht.
Man könnte auch hier einen Einfluß Nietzsches auf Fontane vermuten, wenn man nicht wüßte, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse die Isolierung tagtäglich und so unübersehbar erzeugten, daß Fontane solche Überlegungen nicht von einem anderen zu übernehmen brauchte.
Es ist wahrscheinlich, daß Fontane den Entwurf nicht veröffentlicht hat, weil ihn das Resultat, zu dem er gelangt war, nicht befriedigte. In der Tat sehen wir hier Fontane einesteils mit einer gewissen Ausschließlichkeit und Vermittlungslosigkeit urteilen („Ein Friedensschluß ist nicht möglich“), während er anderenteils dennoch Einschränkungen macht. Ferner fällt auf, daß der Entwurf jede über die Beschreibung eines erbärmlichen Zustandes hinausweisende Perspektive vermissen läßt. Fontane hat allerdings eine ähnliche Bemerkung seinem Tagebuch anvertraut, in dem es 1891 anläßlich der Verleihung des Schillerpreises heißt: „Denn mit der Ehre ist es so; im Publikum sind einige (auch nicht viele), die’s mir gönnen, unter den Kollegen eigentlich keiner; jeder betrachtet es als eine Auszeichnung, die meinen Anspruch darauf übersteigt. Wenn man sich auch noch so niedrig taxiert, macht man immer wieder die Wahrnehmung, daß es doch noch zu hoch war und daß man in der allgemeinen Schätzung noch niedriger steht. Nun, auch gut. Alles ist nicht Schwindel, aber doch das meiste“ y *. Doch in beiden Fällen erfährt die Ausschließlichkeit des persönlichen Bekenntnisses eine Einschränkung, die im übrigen ungenutzt bleibt, obwohl sie Ansätze zu einer Differenzierung der Aussage bot. In „Du selbst!“ räumt Fontane ein: „es ist nicht immer so“, während er im Tagebuch zugesteht: „Alles ist nicht Schwindel“. Damit wird aber die Gültigkeit der im selben Text getroffenen kategorischen Feststellungen eingegrenzt. Dieser Widerspruch zwischen der Ausschließlichkeit der Aussage einerseits und der dann doch vorgenommenen Einschränkung andrerseits rechtfertigt vielleicht die Vermutung, daß Fontane diesen Entwurf als unfertig betrachtet und daher nicht publiziert hat.
Das Manuskript dürfte, nach der Schrift zu urteilen, aus den neunziger Jahren stammen.