Jolles mußte vor Ausbruch des Krieges nach England emigrieren, um der Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime zu entgehen —, wurde dieser Plan trotz seines Einspruchs verwirklicht. In der hektischen Atmosphäre der letzten Jahre des Dritten Reiches wurden die Fontane- Handschriften planlos und unsachgemäß verpackt — die Abschriften blieben in Potsdam — und in das Brandenburgische Arbeiterwandererheim „Rotes Luch“ bei Müncheberg (Mark) verlagert. ß7
Die Preußische Staatsbibliothek, die auf der Auktion von 1933 zahlreiche Fontane-Handschriften erworben und diesen Besitz noch in den dreißiger Jahren durch weitere Ankäufe ergänzt hatte, mußte während des zweiten Weltkrieges nahezu den gesamten Bestand ihrer Handschriftensammlung aus Berlin verlagern. 68 Die Auslagerungsorte befanden sich in den verschiedensten Gebieten Deutschlands. Die Fontaniana sind vermutlich mit zahlreichen anderen Materialien (insgesamt 300 Kisten) im Oktober 1942 nach Schloß Gauernitz gelangt. Hier wurden sie von der Roten Armee sichergestellt und „am 30. September 1957 zusammen mit mehr als 16 000 Einheiten von Handschriften und Dokumenten aus dem Besitz von Bibliotheken der Deutschen Demokratischen Republik an die Deutsche Staatsbibliothek zurückgegeben.“ 69
Der andere Teil des handschriftlichen Fontane-Nachlasses, der schon 1903 in öffentliche Hand gelangt war, ist nicht ausgelagert worden. Walther Stengel, seit dem Jahre 1925 Direktor des Märkischen Museums in Berlin, ließ die hier betreuten Handschriften, sorgsam in Kisten verpackt, in einem Raum unter dem Turm des Museums bringen, dessen Eingang besonders gesichert wurde. 70 Diese verantwortungsbewußte Vorsicht erwies sich jedoch als vergeblich. Nachdem Berlin in der Endphase des unheilvollen Krieges zur „Festung“ erklärt worden war, wurde das Museum, dicht an der Waisenbrücke gelegen, ohne Rücksicht auf die kulturellen Werte, die es beherbergte, für „Verteidigungszwecke“ ausgebaut. Dadurch wurde das Gebäude bei den Kampfhandlungen um die Berliner Innenstadt zu einem Konzentrationspunkt und erlitt infolgedessen noch kurz vor Kriegsende schwere Zerstörungen, 71 von denen auch der Raum unter dem Turm, der so sicher schien, nicht verschont blieb.
Obwohl bereits im Mai 1945 mit den Wiederaufbauarbeiten am Märkischen Museum begonnen wurde und schon am 12. Juli 1946 die Eröffnung von 15 wiederhergestellten Ausstellungsräumen möglich war, scheint man erst spät zu den Fontane-Handschriften vorgedrungen zu sein, die — aus den aufgebrochenen Kisten herausgerissen — verstreut, verschmutzt und beschädigt im Keller aufgefunden wurden. Eine Tageszeitung brachte im Juli 1948 darüber folgende Notiz:
„Theodor Fontanes Romanmanuskripte.
Aus dem Schutt des Märkischen Museums sichtete jetzt Direktor Dr. Stengel die Originalhandschriften Fontanischer Romane. Es sind die Originale der Erzählungen .Unterm Birnbaum* und .Onkel Dodo‘, die Romane .L’Adultera*, »Vor dem Sturm*, ,Ef¥i Briest*, ein Teil der »Wanderungen* und die autobiographischen Darstellungen .Meine Kinderjahre* und ,Von Zwanzig bis Dreißig*, sd.“ 7 *
278