Heft 
(1974) 20
Seite
290
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in der ersten Julihälfte 1843 verfaßten, an Wolfsohn nach Brody gerich­teten Brief:Die Novellefn] Puschkins (von D. Sabinin) 7 hab ich gelesen, ich bin entzückt davon und habe sie meiner Tante gegeben, die meine Ansicht darüber teilt. 8

Wolfsohns Beziehung zu Philippine, die durch das gemeinsame Interesse an dem jungen Theodor entstanden und durch das literarische Erlebnis vertieft war, erfuhr neue Anregung, als er ihr im Dezember 1845 auf der Rückreise von Petersburg nach Sachsenunerwartet in dem fremden Berlin begegnete, und ihrewarme, trostreiche Rede manche schöne Stunde der Vergangenheit hell in seiner Seele auftauchen ließ. 9 Als Wolfsohn zwei Jahre später von Mitte Januar bis Mitte März 1848 sich in Berlin auf hielt, öffentlich über deutsche Literatur las 10 und während dieser Zeit natürlich nicht nur den Adoptiveltern der ihm behilflichen Braut 11 Fontanes, dem Rat Karl Wilhelm Kummer und seiner dritten Frau Bertha, sondern auch Philippine und Onkel August Besuche ab­stattete, scheint sich das Verhältnis zu den Bekannten aus Leipzig aller­dings recht getrübt zu haben. Dies deutet schon der unten abgedruckte Brief Philippines vom 18. April 1848 an, in dem sie Wolfsohn Unzuver­lässigkeit vorwirft. Ein unveröffentlichtes Schreiben Wolfsohns an Bertha Kummer, geb. Kinne, das ein knappes Vierteljahr später, am 2. Juli 1848 in Leipzig geschrieben wurde, spricht sogar von einem vollzogenen Bruch:Wenn ich Ihnen nur sagen könnte, wie die Nachricht von Ihnen und den Ihrigen, der Ausdruck Ihrer freundlichen Gesinnung mir wohl­getan! Sie ahnen nicht, welch süße liebe Entschädigung mir Ihr Brief geboten: die angenehmste Erinnerung an Berlin weckten Sie mir fast im selben Augenblick, als mich die unangenehmste erbitterte. Damit Ihnen das nicht zu rätselhaft klingt, sage ich nur: ich habe mit Theodors Onkel und Tante aufs Entschiedenste und für immer gebrochen. Deutlicher und näher kann ich mich vorläufig darüber nicht aussprechen... Grüßen Sie einstweilen meinen Theodor und seine Braut wie den Dr. Müller von mir aufs herzlichste. 12

Auf gespannte Situationen im Fontaneschen Verwandtenkreis im Winter 1848 weist auch Emilie Fontanes Brief vom 14. April 1850 hin, in dem sie Wolfsohn für seinsinniges Geschenk zum letzten Weihnachtsfest, einer schön eingebundenen Ausgabe von GoethesIphigenie 13 dankt, und sich den Winter seiner Anwesenheit in Berlin zurückwünschend fortfährt:Ich konnte mich damals Ihnen nicht offen zeigen, [weil] ich glaubte, Sie hätten durch Pinchens Einflüsterungen ein Vorurteil gegen mich.. , M Im selben Brief gesteht Fontanes Braut ihre Eifersucht auf Sophie von Melgunow, geb. Konnermann, der Dame vom Rhein, mit der Wolfsohn den Freund bekannt gemacht hatte. An sie ist die Einlei­tung zu seinen Übersetzungen der Werke Helena Hahns gerichtet, die sich in einem Band mit der Philippine gewidmeten Einleitung befindet. 15 Dieser Umstand könnte für die noch ausstehende Erforschung der Be­ziehungen Fontanes zu Nikolaj und Sophie von Melgunow, der Freundin Michail Bakunins, nicht ohne Bedeutung sein. 16