Heft 
(1974) 20
Seite
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Als Wolfsohn 1865 starb, lebte Philippine in Amerika. Nach dem Tode ihres Mannes übersiedelte sie zu ihrer in den unten abgedruckten Briefen oft erwähnten Pflegetochter Röschen, die als verwitwete Greve mit ihren Kindern in Freiburg im Breisgau lebte. Als Anhängsel Röschens Ende 1879 nach Berlin zurückgekehrt, 17 sah Fontanesie noch oft. ls Durch sein Bemühen, der Vereinsamten und Verbitterten, über die etwas Herbes, Herrisches gekommen war, und diemit ihrem spa­nischen Rohr mit großer Elfenbeinkrücke... wie ein weiblicher Alter Fritz wirkte, 1!) durch seine Gegenwart diefurchtbare Existenz zu erleichtern, stattete Fontane einen Dank ab, der nicht nur ehedem empfangenen Guttaten, sondern auch den ihm selbst bis ans Lebensende bewußt gebliebenen Impulsen galt, die im Umgang mit diesem seiner eigenen Aussage nach für sein Lebenso bedeutsam gewesenen Menschenpaar zur Formung seines Charakters beigetragen hatten. Führte doch die unablässige Auseinandersetzung mit Lebensweise und -anschauungen des Paares den einstigenwiderspenstigen Taugenichts, der noch 1851 hinsichtlich der Schwindeleien Onkel Augusts sich die echte Würdigkeit zum Richteramt absprach, 20 in reifen Jahren zur unerbittlichen Verurteilung moralischer Defekte, Unaufrichtigkeit, Halb­heit und Lüge, zu der Erkenntnis:Es ist doch nichts schrecklicher, als ewige, gewohnheitsmäßige, längst zur Natur gewordene Lügerei. Alles ist immer nur halb und viertel richtig, meist einfach nur dadurch, daß die Hauptsachen verschwiegen werden .. , 21

Anmerkungen

1 Vgl. Theodor Fontane, Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Nebst anderen selbstbiographischen Zeugnissen, München 1967, S. 100.

2 Vgl. Fontanes Brief an seine Schwester Elise Weber, Berlin, 22. Dezember 1880, in: Fontanes Briefe in zwei Bänden. Ausg. und erl. von G. Erler, Band 2, Berlin und Weimar 1968, S. 30.

3 Vgl. Theodor Fontane, Von Zwanzig bis Dreißig, a. a. O., S. 102.

4 Vgl. ebenda, S. 324 und 321.

5 Vgl. Fontanes Brief an seine Frau vom 5. August 1875 in: Fontanes Briefe in zwei Bänden, Berlin und Weimar 1968, Band 1, S. 414.

6 Vgl. Rußlands Novellendichter. Übertragen und mit biographisch-kritischen Ein­leitungen von Dr. Wilhelm Wolfsohn. Erster Teil: Helena Hahn. Alexander P uschkin. Leipzig 1848, S. 251.

7 Alexander Puschkins Novellen. Für das Deutsche bearbeitet von Dr. Trübst und D. Sabinin. 1. Bändchen, Jena 1840 (enthältBelkins Erzählungen undPique dame).

8 Vgl. Theodor Fontanes Briefwechsel mit Wilhelm Wolfsohn. Hrsg, von W. Wol­ters, Berlin 1910, S. 17 f.

9 Vgl. Rußlands Novellendichter, a. a. O., S. 282.

10 Emilie Fontane schrieb als Fontanes Braut am 1. März 1848 aus Liegnitz an Bertha Kummer:Gewiß hat Dich die traurige Lage unseres guten Wolfsohns auch recht betrübt, Du warst doch bei seiner zweiten Vorlesung? (Fontane- Archiv Potsdam).

11 Über Emilie Kummer-Rouanets Hilfeleistung heißt es in Fontanes Brief an Wolfsohn vom 10. Januar 1848:Eine Wohnung werd ich alsdann schon in Bereitschaft für Dich haben . . . meine Braut, die Du im besten Sinne als mein Faktotum kennenlernen wirst, wird das Nötige besorgen (vgl. Wolters, S. 33).

12 Fontane-Archiv Potsdam, Sign. C 108.

13 Vgl. Emilie Fontanes Brief an Bertha Kummer aus Liegnitz vom 28. Dezember 1849 im Fontane-Archiv Potsdam.

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