Heft 
(1974) 20
Seite
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5 August und Philippine Fontane hatten Rosalie Hertwich (dem Kommentar in: Theodor Fontane, Briefe IV, Berlin 1971, S. 186, Anm. zu Brief 19 zufolge war sie die Schwester des Kantors Hertwich in Berndorf bei Liegnitz) als Pflege- tocher angenommen. Als verehelichte Greve lebte Rosa später in Freiburg im Breisgau. Sie, ihre Kinder und die bei ihnen lebende Philippine schilderte Fontane nach einem Besuch im Brief aus Basel vom 5. August 1875 seiner Frau mit den Worten:Tante Pine . .. sah eigentlich aus wie früher, noch ein bißchen verquiemter, noch ein bißchen vermorchelter, noch ein bißchen wehmütiger ... Röschen wirkte wie eine Bäckersfrau in Trauer, Harry wie ein gutmütiger Imbecile, Fräulein Mimi aber in der Tat wie ein sehr liebenswürdiges und an­mutiges Geschöpf (vgl. Fontanes Briefe in zwei Bänden. Ausg. und erl. von G. Erler, Band 1, Berlin und Weimar 1968, S. 413. - Auch in dem im Fontane- Archiv aufbewahrten Brief Karl Fontanes an Friedrich Fontane vom 3. 2. 1910 werden Röschens Kinder Henry und Marie genannt. Auch in der o. a. vierbän­digen, von K. Schreinert begonnenen und von Ch. Jolles beendeten Briefausgabe Berlin 1968-1971 wird der Name von Röschens Tochter mit Marie Greve wiedergegeben).

3. [Leipzig, zweite Septemberhälfte 1843]

Wie sehr, wie innig, mein lieber Wolfsohn, haben Sie mich durch Ihren herzlichen Brief erfreut. Ja, mein Freund, ich darf es ohne Erröten sagen, ich wußte, ich fühlte es schon bei Ihrem Hiersein in Leipzig, daß Sie mir gut sind, daß es mir gelungen war, mir Ihre Achtung und Wert­schätzung errungen zu haben; und, glauben Sie mir ich bin stolz darauf, einen so edlen, guten Menschen als Sie es sind, zu meinen Freunden zählen zu können. Nur wenige gehören zu dieser Zahl; doch diese wenigen wiegen ein ganzes Heer von sogenanntenguten Freunden auf. Wissen Sie aber auch, wem ich vorzugsweise es zu danken habe, daß ich dieses Glückes mich erfreuen darf? Meinem guten, teuren Manne! Er gönnt mir uneingeschränkt die Freude, mit Menschen, welche mir durch Seelenwert und Seelen-Verwandtschaft teuer geworden, (die aber, sonderbar genug, nicht meinem Geschlecht angehören) den Bund der Freundschaft zu schließen. Ich darf zu Ihnen reden, darf Ihnen schreiben, wie das Gefühl meines Herzens mir es eingibt, ohne befürchten zu müssen, von dem Gatten deshalb getadelt zu werden. Gottlob, daß er mir vertraut! daß er mit Zuversicht den Glauben festhalten kann, daß in dem Busen seiner Gattin kein unedler Gedanke Raum finden kann, und niemals finden wird!

Was könnten Sie mir sagen, werter Freund, was ich auch ohne Worte nicht schon erraten, gefühlt hätte?

Und willst du mir schauen ins Herz hinein

So mußt du, wie ich, voll Liebe sein!

Der Impuls meines Lebens ist Liebe! Darum war es mir leicht, zu emp­finden, daß Ihre Seele aufgegangen sei, in Liebe und Hingebung! Also Worte über diesen Gegenstand zu wechseln, bedurfte und bedarf es eigentlich nicht mehr. Nur werden Sie mir, Ihrer um Sie besorgten, Sie mütterlich liebenden Freundin, das Nachfolgende verzeihen? Ich fühle, Sie werden es, drum sei es gewagt. Um Ihrer selbst willen wäre es mir lieb gewesen, wenn Sie mich durch wörtliche Mitteilung zur

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