ich der mir Unbekannten zollte. Habe ich es recht gemacht? — Fräulein E[milie] sagte mir, daß sie heute an Sie schreiben wolle, und war so freundlich mir zu erlauben, ein paar Zeilen mit einlegen zu dürfen. Sobald ich damit zu Ende bin, trage ich sie selbst zu ihr! —
Von unserm Theodor, lieber Freund, kann ich Ihnen so viel wie gar nichts sagen, da ich selbst nichts von ihm weiß. Im Anfänge der nächsten Woche denke ich indes Briefe von ihm und seiner Schwester zu erhalten, die mir wohl berichten werden, wie es ihm geht, und ob ich hoffen darf, an eine glückliche Zukunft für diesen mir so teuren, edlen Menschen zu glauben. Bitte, schreiben Sie ihm bald. Gewiß wird es seinem Herzen wohl tun, Worte der Liebe und Teilnahme von Ihnen zu vernehmen. 3 — Herrn Müller sah und sprach ich neulich. Er ist auch Doktor geworden, wird bald nach Berlin gehen/ 1 und gedachte Ihrer freundlich. —
Nun, lieber Wolfsohn, habe ich Ihnen noch etwas mitzuteilen, welches, da es uns nahe angeht, nicht ganz ohne Interesse für Sie sein wird. Ostern 1844 verlassen wir Leipzig! Wie dies möglich ist, will ich Ihnen in Kürze sagen. Ganz unerwartet wurde meinem guten Manne eine sehr vorteilhafte Stelle, als Geschäftsführer eines bedeutenden Kunstgeschäfts in Prag angetragen. Die Sache war von der Art, daß wir unser eigenes Glück beeinträchtigt hätten, wenn wir nicht ernsthaft darüber nachgedacht. Mein Alterchen reiste selbst nach Prag, und kam voller Zufriedenheit über den glücklichen Ausgang seines Geschäfts zurück. Wir dürfen mit Gottes Hilfe einer sorgenfreieren Zukunft entgegensehen, und müssen, dies im Auge habend, dem uns lieb gewordenen Leipzig den Rücken wenden. 5 Wehmutsvoll, ich fühle es, wird die Stunde des Abschieds sein. Doch gern und willig folgt das liebende Weib dem teuren Gatten! Selbst in der Wüste lächelt des Glückes Sonne, wenn man sie mit dem treu Geliebten, der Seele des Lebens, bewohnt! —
Darf ich Sie bitten, lieber Wolfsohn, Ihrer Fräulein Schwester 0 den Gruß einer Frau zu bringen, welche ohne sie zu kennen, eine gleichgestimmte Seele in ihr ahnet, und ihr die Freundschaft eines Schwesterherzens bietet. Freude würde es mir sein, wenn diese geringe Gabe nicht verschmäht würde. — Mein teurer Mann, mein gutes, einfaches Röschen — beide grüßen Sie herzlich. Darf ich schließlich noch die Bitte wagen, mich wieder einmal durch ein paar Zeilen zu erfreuen? — Gott sei mit Ihnen, mein werter, lieber Freund!
Ihre Philippine Fontane
Kommentar
1 Die Ehe zwischen dem Angehörigen der jüdischen Religion Wolfsohn und der Christin Emilie Gey wurde erst nach dem Tode von Emiliens Vater (gest. am
27. Juni 1851) am 31. Dezember 1851 in Dessau, der damaligen Hauptstadt des Herzogstum Anhalt, geschlossen. Über die Schwierigkeiten dieser Heirat vgl. Christa Schultze, Fontane und Wolfsohn. Unbekannte Materialien. In: Fontane- Blätter, Band 2, 1970, Heft 3, S. 155, 161 und 164.
2 Therese Gey (1817-1850), war ein Jahr älter als Emilie. Eine jüngere Schwester Clementine wurde 1827 geboren.
3 Ein in Odessa verfaßtes Gedicht Wolfsohns „Meinem Theodor“ stammt vom
28. /16. Oktober 1843: es wurde 1960 im 2. Teil des Bestandsverzeichnisses der „Literatur von und über Fontane“ reproduziert. Aus der Zeit vor November 1849 sind keine Briefe Wolfsohns an Fontane überliefert.
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