Erwartungen des Lesers erst anzufachen und dann zu enttäuschen. In Kapitel 47 z. B. setzt er zu einer dramatischen Szene an: „.Forward, sons of Ivor‘, cried their Chief, — ,or the Camrons will draw the first blood! They rushed on with a tremendous yell.“ — Aber der erwartete Höhepunkt wird abrupt übergangen: „The rest is well known.“ 19 Der Anspruch der Einführung, daß der Roman kein Abenteuerroman werden solle, besteht durchaus zu Recht.
Diese Herabsetzung der Handlung bringt es mit sich, daß der Schwerpunkt sich auf die Charaktere verlagert. Scott und Fontane betonen das beide als ihr zweites Ziel. Im ersten Kapitel von Waverley heißt es: „... the object of my tale ist more a description of men than manners“, 20 und der Erzähler sagt, er lege „... the force of my narrative upon the characters and passion of the acters.“ 21 Fontane hatte in seinem Brief an Hertz auch gesagt, es komme ihm hauptsächlich darauf an, Figuren, „liebenswürdige Gestalten“ 22 vorzuführen. Und die drei Scottschen Romane, die Fontane mit besonderem Interesse las, Waverley, Der Kerker von Edinburgh und Der Altertümler, zeichnen sich ebenso wie Vor dem Sturm durch eine außerordentlich große Menge von Charakteren aus, 23 alle folgen der Entwicklung mehrerer Hauptpersonen, und alle erhalten große Unmittelbarkeit und oft auch eine humoristische Tönung durch viele kleine Portraits von Figuren, die für die „Handlung 1 völlig nebensächlich sind. In Waverley wird z. B. ein Abschnitt einem komischen Trommler gewidmet, denn, sagt der Erzähler, „it is the object of this history to do justice to all men.“ 24
Scotts drittes und letztes Ziel, „to Vary and to illustrate the moral les- sons ... to mix them with amusement“ zeigt deutlich die klassizistische Tradition, in der er schreibt. Fontanes Ziel scheint ebenso deutlich zu zeigen, wie die Entwicklung des Romans im 19. Jahrhundert das belehrende Element herabgesetzt hat: „Nur liebenswürdige Gestalten ... sollen den Leser unterhalten .. . B2G Aber die Tradition des moralisierenden Beispiels, die sich in Deutschland in den historischen Romanen von Alexis, Freytag, Scheffel und dem von Fontane so verachteten Felix Dahn fortsetzt, hat doch mehr Einfluß auf ihn, als er hier wahrhaben will. Noch in der Rezension von Freytags Ahnen, die Fontane kurz vor Aufnahme der endgültigen Revision von Vor dem Sturm schrieb, heißt es: „.. . ein Roman ... soll uns ... am Schluß aber empfinden lassen ... unter Menschen ... gelebt zu haben, deren Umgang uns schöne Stunden bereitete, uns förderte, klärte und belehrte.“ 27 Und die schwächeren Teile von Vor dem Sturm lassen keinen Zweifel darüber, daß Fontane dem belehrenden ebenso wie dem unterhaltenden Aspekt Scottscher Romane noch verpflichtet war. Allerdings wendet sich der Erzähler von Vor dem Sturm nirgendwo direkt an den Leser, um ihn auf die Moral der Geschichte hinzuweisen, wie z. B. der Erzähler des Kerker von Edinburgh, der am Ende sagt: „Reader, this tale will not be told in vain, if it shall be found to illustrate the great truth, that guilt ... can never confer real happines.“ 28 Aber direkte Hinweise dieser Art sind selbst bei Scott selten, seine Wahrheiten werden normalerweise