S. 24111. dieses Heftes). Es ist umso erfreulicher, daß C. Kahrmann im wesentlichen und im ganzen zu Ergebnissen gelangt, die mit diesem Urteil Fontanes über sich selbst übereinstimmen.
Die Arbeit, der eine an der Universität Münster 1969 angenommene Dissertation zugrunde liegt, setzt sich zum Ziel, die Formen und Funktionen des Idyllischen in Fontanes Romanen und Erzählungen zu untersuchen. Nachdem die Verf. im ersten Kapitel die Formen beschrieben hat, in denen das Idyllische auftreten kann( Motiv, Situation, Szene, Panorama), erörtert sie in drei weiteren Kapiteln die Position und Funktion des Idyllischen in den größeren Sach- und Handlungszusammenhängen der Kunst, des „Schicksals“ (von der Verf. in Anführungsstriche gesetzt) und der Gesellschaft. Die Beziehungen zwischen Idyll und Kunst werden am Beispiel von „Graf Petöfy“ erläutert, die Beziehungen zwischen Idyll und „Schicksal“ und Idyll und Gesellschaft in erster Linie an den Paradigmata „Quitt“ und „Cecile“ untersucht, dann aber auch an anderen Werken Fontanes. In ihrer „Zusammenfassung“ gelangt die Verf. schließlich zu einigen durchaus zutreffenden Einsichten. Sie vermag nachzuweisen, daß die Idylle bei Fontane nicht zum Selbstzweck wird, denn, „da Fontanes Romangestalten [...] die Protagonisten einer stets auf die geschichtlich-gesellschaftliche Wirklichkeit, nie auf die Kunst selbst reflektierenden Thematik sind, ist auch das Idyll als Kunstform nie das Ziel der Darstellung“ (S. 174). Vielmehr hat das Idyllische in den nach „L’Adultera“ entstandenen Werken einen ganz bestimmten Funktionswert, denn es wird „in wechselndem Maße zur Formulierung eines Vorbehalts verwendet, den der einzelne gegenüber seiner .Weit“ anmeldet“ (S. 177). Allerdings — und hier muß unsere Kritik einsetzen — ist der von der Verf. gebrauchte Begriff der „Welt“ zu abstrakt und undifferenziert. Denn gemeint sind damit weniger die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen die Figuren leben und handeln und unter denen der Autor sie konzipiert, als einfach ihre „Umwelt“.
Ferner kann man zwar damit einverstanden sein, daß die Verf. die unterschiedlichen Funktionen des Idyllischen bei Fontane daraufhin analysiert, welche Bedeutung sie im Rahmen der mehr oder minder erfolgreichen Suche nach dem Glück haben. Aber es war wenig zweckmäßig, in ungeschichtlich-abstrakter Antithetik diese Suche nach dem Glück als die Suche nach dem der eigenen „Natur“ angemessenen gesellschaftlichen „Ort“ zu definieren (S. 175 f.), auch wenn sich Fontane selbst in einem Brief dahingehend geäußert zu haben scheint (an Gustav Karpeles, 3. 4. 1879). Denn die menschliche „Natur“ ist nicht unveränderlich, und der gesellschaftliche „Ort“, der gesucht wird, ist, im Sinne jener Überlegungen Fontanes und damit auch der Verf., eine Position in einem nur vage beschriebenen, klassenmäßig nicht analysierten Gefüge. Es konnte nicht ausbleiben, daß die Verf., indem sie diese Antithetik z. B. auf „Irrungen Wirrungen“ anwendet, zu der unergiebigen Formel kommt: „In .Irrungen Wirrungen“ gibt es den ,Ort‘, wo Botho und Lene ihrer .Natur“ nach hingehören, deshalb nicht, weil für jeden von ihnen die
313