,Welt‘ schon einen Ort vorschreibt, den sie schließlich auch einnehmen - ohne Glück“ (S. 178).
Erst wo die Verf. dieses Begriffspaar nicht mehr benötigt bzw. es nur noch im negativen Sinne verwendet, vermag sie brauchbare Ergebnisse vorzulegen, so wenn sie über „Der Stechlin“ schreibt, in diesem Roman sei das Glück schließlich nur noch eine „Tugend- und Moralfrage“ und die Suche danach werde ersetzt durch die Suche nach dem „rechten Leben“. C. Kahrmann führt dazu aus: „Der permanente Idyll von Kloster Wutz, wo die Perfektion der Entsprechung von ,Natur 1 und ,Ort‘ die alte Glücksgleichung ad absurdum führt, bildet den Kontrapunkt zum ,sittlichen Menschen“ [...], für den der rechte ,Ort‘ als Faktizität des Glücks irrelevant ist: Das Bewußtsein vom .großen Zusammenhang“ [...] des Lebens und der Nichtigkeit des Ich [...] hebt die Notwendigkeit jener Entsprechung auf“ (S. 179).
Die Verf. macht auch darauf aufmerksam, daß sich die Funktionen des Idyllischen bei Fontane wandeln. Das kommt am klarsten dort zum Ausdruck, wo Fontanes letzter Roman mit seinem ersten verglichen wird (S. 163—172). Was die Tendenz dieser Wandlung betrifft, so geht es Fontane nach den Worten der Verf. darum, zu zeigen, wie „ein Glück beschaffen sein müßte, das das Idyll überflüssig machen hönnte“ (S. 180). Wenn Fontane gleichwohl das Idyllische noch verwende, so geschehe es in der Weise, daß er in der Regel „gerade der vergeblichen Suche nach dem Glück die Gestalt des Idyllischen gibt“; dadurch aber „verkehrt er die Funktion des Idylls der literarischen Tradition in ihr Gegenteil" (S. 180).
Das sind einige — wie uns scheint — gut begründete und nützliche Schlußfolgerungen aus einer Reihe von Einzelanalysen, obschon man der Verf. in manchen anderen Punkten nicht folgen kann. Nicht nur, daß an vielen Stellen der Zusammenhang von Literatur und Gesellschaft ignoriert und vernachlässigt wird (auch wenn das Wort „Gesellschaft“ oft vorkommt und eine reichliche Menge „moderner“ Begriffe aus der bürgerlichen Soziologie verwendet wird!). Die Verf. hat vor allem, eben weil sie zu ausschließlich den Text befragt und die Gesellschaft, in der die Dichtung entstanden und für die sie geschrieben ist, oft unberücksichtigt läßt, den Text überfordert, ihn übermäßig der Interpretation unterworfen. Das kann so weit gehen, daß in Bezug auf jenen Schoßhund, der nach Fontanes Darstellung in „Cecile“ vor dem Quedlinburger Schloß begraben liegt und dessen Treue der Grabstein rühmt, die Formulierung unterläuft: „Der Hund ist das Wesen, das sich selbst verwirklicht hat. Er vertritt die Lebensform des selbstverständlichen idyllischen Bei-sich- seins als Wert. Daß dieser aber dem Hundedasein zugesprochen wird, deutet an, daß er den Figuren versagt ist“ (S. 101 f.). Allerdings wird nicht jeder Textstelle so viel zugemutet wie dieser Hunde-Episode. Dennoch dürfte die Verf. in zahlreichen Fällen der Gefahr nicht entgangen sein, mehr aus den Texten herauszulesen, als sie enthalten, und bisweilen etwas als Idyll in Anspruch zu nehmen, was bestenfalls mit dem Idyllischen entfernt verwandt ist.
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