Heft 
(1975) 21
Seite
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führte, nachdem der Neubarock im zeitgenössischen Kunstschaffen bereits in voller Blüte stand.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts, in dem Zeitraum etwa zwischen 1840 und 1870 gab es verhältnismäßig wenige Fachleute und interessierte Laien, die die Gefahren, die den Denkmalen aus den / damaligen Restaurierungspraktiken erwuchsen, erkannten und ihre Stimme dagegen erhoben. Im ausgehenden 19. Jahrhundert, vor allem in Frankreich, mehrten sich die Proteste. Aber erst um die Wende zum 20. Jahrhundert, als der Historismus im zeitgenössischen Kunstschaffen neuen Auffas­sungen weichen mußte, war auch die reale Basis dafür gegeben, Denk­malschutz- und -pflegemaßnahmen durchzuführen, die vor allem auf die Bewahrung der historischen Werte zielen.

Der erste, der sich in Preußen für die Erhaltung der historischen Denk­male verwendet hatte, war der Architekt Karl-Friedrich Schinkel, und zu den ersten, die sich gegen eine diesen Absichten zuwiderlaufende Behandlung der Denkmale wandten, gehörten Ferdinand von Quast, Franz Kugler und auch Theodor Fontane. Dieser war zwar nicht durch Eingaben und spezielle Beiträge an diesen Auseinandersetzungen betei­ligt, aber die in seiner Reiseliteratur dazu enthaltenen unmißverständ­lichen Bemerkungen haben doch einen sehr breiten Publikumskreis erreicht und sind damit von hoher Bedeutung gewesen.

Im Merseburger Zentralarchiv befindet sich ein aufschlußreicher Brief Ferdinand von Quasts vom 1. Oktober 1853. Er ist an das Kultusministe­rium gerichtet, und der Schreiber berichtet darin von den Schwierigkeiten bei der Wiederherstellung der historischen Denkmale. Es heißt:Es ist nicht zu sagen, in wie ausgedehntem Maße durch Restaurationen Ver­derbungen der Monumente herbeigeführt werden. In früheren Zeiten hat man dieselben barbarischer Weise zerstört, das Erhaltene aber im Ganzen unverändert gelassen, oder die Zusätze doch im Geiste der jedesmal herrschenden Bauweise hinzugefügt, so daß man nicht daran dachte, absichtliche Täuschung zu bereiten.

Heutzutage bemüht man sich dagegen die Herstellung in dem Style des Bauwerkes zu machen. Wenn man sich darauf beschränkt, nur die Verderbungen der Zeit und Menschen, wo sie wesentlich nachtheilig ein­gewirkt haben, einfach zu beseitigen und das Fehlende zu ergänzen, da ist dies gewiß der richtige Weg. Aber leider weiß man nur selten Maß zu halten und nur zu häufig läßt sich der Restaurationsarchitekt verleiten, das alte Bauwerk nur als Material zu benutzen, um daraus ein Werk seiner Phantasie zu machen, namentlich, damit man augen­fällig erkennt, wie viel durch ihn geschehen ist. 9

In demselben Brief sprach von Quast die Bitte aus, geeignete Anwei­sungen an die Bauämter herauszugeben. Franz Kugler leitete ihn Fried­rich August Stüler zu, der als Leiter der dem Handelsministerium unter­stellten technischen Baudirektion befugt war, solche Anweisungen zu formulieren. Der Antrag wurde jedoch von Stüler mit dem Vermerk, daß Quasts Darstellung übertrieben sei, nicht befürwortet. 10

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