Es muß offen bleiben, ob Stülers Haltung aus einer anderen Auffassung zur Sache herzuleiten ist, oder ob er sich mehr von dem Gedanken leiten ließ, daß solche Anweisungen wenig erfolgversprechend seien. Weitgehende Erneuerungen lagen damals nicht allein im Interesse der meisten Architekten, sondern oft auch im Interesse der staatlichen und kirchlichen Auftraggeber. Es ging dabei um Fragen des Prestiges und der Repräsentation. Totale Erneuerungen erschienen geeignet, die Fürsorge der Auftraggeber für die historischen Denkmale deutlich zur Schau zu stellen, um damit Macht und Reichtum zu demonstrieren, sich als legitime Erben großer historischer, religiöser und nationaler Traditionen auszuweisen, als Förderer von Religion, Kunst, Wissenschaft usw. Quasts kritische Äußerungen über die Behandlung der historisdien Denkmale sind im wesentlichen in seinen der Öffentlichkeit damals nicht zugänglichen behördlichen Berichten und Briefen enthalten. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß Fontane diese Schriften gekannt hat. Er erwähnt Quast zwar mehrfach, und aus seinen Noti'zbuchaufzeichnungen geht auch hervor, daß er den Konservator im Einzelfalle um Rat gefragt hat, 11 aber inwieweit er mit dessen Auffassungen vertraut war, ist aus dem überkommenen Material nicht ersichtlich. Die Frage nach einer direkten Einflußnahme Quasts auf Fontanes Denkmalauffassung muß deshalb unbeantwortet bleiben.
Franz Kugler hingegen hat sich zu Fragen der Erforschung, Erhaltung und Wiederherstellung der historischen Denkmale publizistisch so umfangreich geäußert, wie kein anderer zeitgleicher deutscher Kunsthistoriker oder Architekt.
Er hat die großen Vorteile zu schätzen gewußt, die aus dem zunehmenden historischen Interesse für die Erhaltung der Denkmale erwuchsen, hat aber auch sehr früh die Gefahren erkannt, die sich aus der Entwicklung im 19. Jahrhundert über den Denkmalbestand ergaben. In seinen Betrachtungen über den Wert der historischen Denkmale und die Maßnahmen zu ihrer Erhaltung und Wiederherstellung hat er teilweise Gedanken entwickelt, die von den deutschen Kunsthistorikern und Architekten erst zu Beginn unseres Jahrhunderts allgemein aufgenommen und als Forderung formuliert wurden.
Im folgenden wird unter dem Aspekt einer möglichen Einflußnahme Kuglers auf Fontanes Denkmalauffassung eine vergleichende Gegenüberstellung ihrer Äußerungen über die historischen Denkmale vorgenommen. Dabei stehen ihre Gedanken über historische und künstlerische Denkmalwerte im Mittelpunkt der Betrachtung.
Ein im Deutschen Kunstblatt 1850 veröffentlichter Beitrag Kuglers „Zur Kunde und zur Erhaltung der Denkmäler“ erhellt wesentliche Aspekte seiner Denkmalauffassung. Es heißt darin: Ein wesentliches Element der Denkmäler ist sodann ihr geschichtlicher Zustand, die Art und Weise, wie oft eine Reihe von Jahrhunderten ihnen ihren Stempel aufgedrückt hat. Möge man doch bei allen Restaurationen darauf bedacht sein, hiervon möglichst wenig zu verwischen! Es ist eine unglückselige
331