Heft 
(1975) 21
Seite
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aus seiner urspünglichen Umgebung und seine Verpflanzung nach Abbotsford:Auch solche Dinge haben ein Leben; aus ihrem feuchten alten Boden gerissen, vertrocknen sie wie die zwischen Papier gelegte Pflanze. 14

Eine Kuglerschen Gedankengängen besonders nahe verwandte Äußerung ist inVor dem Sturm (1878) in dem Abschnitt über die Dorfkirche Hohen-Vietz enthalten:War nun aber das Äußere der Kirche so gut wie unverändert geblieben, so hatte das Innere derselben alle Wand­lungen eines halben Jahrtausends durchgemacht [...] Nur unsere Dorf­kirchen stellen sich uns vielfach als die Träger unserer ganzen Geschichte dar, und die Berührung der Jahrhunderte untereinander zur Erscheinung bringend, besitzen und äußern sie den Zauber historischer Kontinuität. 15 Wenn diese Äußerung auch unter dem Aspekt der Romanhandlung gesehen werden muß, so offenbart sie doch zugleich eine Denkmal­auffassung, die sich bei Fontane auch in anderen Zusammenhängen findet.

Kritische Auseinandersetzungen mit zeitgenössischen Restaurierungs­tendenzen Anden sich insbesondere in denWanderungen. Darin plädiert er immer wieder dafür, den historischen Bestand zu schonen, auch wenn es sich um keine erstrangigen Denkmale handelt.

Zu der erneuerten Kirche in Werder schreibt er u. a.:Dennoch, wie immer in solchen Fällen, hat das geschichtliche Leben Einbuße erfahren, und Bilder, Grabsteine, Erinnerungsstücke haben das Feld räumen müssen, um viel sauberem, aber viel uninteressanteren Dingen Platz zu machen. Zum Glück hat man für das historische Gerümpel, als das man es angesehen zu haben scheint, wenigstens eine ,Rumpelkammer übriggelassen, wenn es gestattet ist, eine Sakristeiparzelle mit diesem wenig ehrerbietigen Namen zu bezeichnen. 16Die historische Pietät, schreibt er in dem Petzower Kapitel,ist fast noch seltener als die künstlerische. So entstehen denn entzauberte Kirchen, die helle Fenster und gute Plätze haben, die aber den Sinn kalt lassen, weil mit der Vergangenheit gebrochen wurde. 17

Auch bei den kleinen Dorfkirchen, die weder Kunstschätze noch Erinne­rungsstücke an bedeutende historische Persönlichkeiten bargen, wendet er sich dagegen, ihnen die mit dem dörflichen Leben vielfach verbun­denen historischen Erinnerungsstücke zu nehmen. Beim Besuch der Dorf­kirche von Alt-Geltow schreibt er über die Braut- und Totenkronen: Es ist jetzt Sitte geworden, die Kirchen dieses Schmuckes zu berauben. ,Es sind Staubfänger, so heißt es, ,es stört die Sauberkeit. Richtig viel­leicht und doch grundfalsch. Man nimmt den Dorfkirchen oft das Beste damit, was sie haben, vielleicht auch ihr Letztes. Die buntbemalten Fenstef, die großen Steinkruzifixe, die Grabsteine, die vor dem Altar lagen, die Schildereien, mit denen Liebe und Pietät die Wandpfeiler schmückte, sie sind alle längst hinweggetan; ,sie nahmen das Licht, oder ,sie waren zu katholisch, oder die ,Fruen und Kinner vertierten sich. Nur die Braut- und Totenkronen blieben noch. Sollen nun auch diese hinaus? Was hat man denn dafür zu bieten? 18

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