Heft 
(1975) 21
Seite
334
Einzelbild herunterladen

Während Kuglers historisches Interesse gleichermaßen den Bauwerken wie ihrer Ausstattung galt, wandte sich Fontanes Aufmerksamkeit in der Regel jedoch mehr der historischen Ausstattung zu. Die Beschrei­bung denkmalwerter Architektur ist meist kurz gehalten, mitunter verzichtet er ganz darauf, um sich dann um so intensiver mit den Malereien, den Stukkaturen, Inschriften und den verschiedensten beweg­lichen Ausstattungsstücken zu befassen, wie Altäre, Kanzeln, Taufsteine, Epitaphien, Grabmäler, Gemälde und Skulpturen, Möblement usw.

Diese Blickrichtung ist darauf zurückzuführen, daß die Eigenart solcher Gegenstände seinem in erster Linie auf menschliches Erleben gerichteten historischen Interesse entgegenkam. Derartige Ausstattungsstücke sind vielfach sehr anschauliche Zeugnisse menschlichen Erlebens, anchau- licher zumeist, als die in ihrer Aussage allgemeinere Architektur. Fontanes Vorliebe für das Detail, das Genrehafte, das Anekdotische wurde hier zum Teil direkt befriedigt, oder die Gegenstände boten doch zumindest Anknüpfungspunkte dafür und konnten als Mittler zu histo­rischen Persönlichkeiten am unmittelbarsten wirken.

Besondere Bedeutung hat er den persönlichen Erinnerungsstücken bei­gemessen; inJenseit des Tweed schreibt er dazu:Alles Reliquien­wesen müssen wir auf eine ganz bestimmte Person zurückführen können. ,Dies ist das Gebetbuch Jane Greys, dies der Eiserthut des Großen Kurfürsten, dies die Tabakdose des Alten Fritz*, das hat ein Interesse; die Person selbst steht wie aus dem Grabe auf, trägt wieder die Sache oder stellt sich hinter dieselbe und gibt ihr dadurch ihren Reiz und Wert. 19

Konkrete menschliche Bezüge, je nachdem, ob sie für Fontane faßbar waren oder nicht, beeinflußten sein Urteil über die historischen Denk­male mitunter erheblich. Boten sich ihm weder sichtbar noch durch überlieferte Erzählungen genügend Ansatzpunkte für einen solchen Bezug, so konnte das dazu führen, daß sich selbst bei künstlerisch wert­vollen Denkmalen nicht die volle ästhetische Befriedigung einstellte. Seine Beurteilung der Kathedrale von Reims (s. S. 340) ist ein charakte­ristisches Beispiel dafür.

Das Interesse an diesen mit menschlichem Erleben unmittelbarer ver­knüpften historischen Denjcmalen zeigt sich auch in seinem Urteil über Restaurierungsmaßnahmen, denn Lob und Tadel hingen vielfach davon ab, inwieweit die alte Ausstattung mit ihren Erinnerungswerten bewahrt geblieben war.

Von diesen Besonderheiten der Fontaneschen Betrachtungsweise ab­gesehen, gab es, wie aus den vorangegangenen Darlegungen ersichtlich, hinsichtlich der Bedeutung, die dem historischen Wert der Denkmale beigemessen wurde, zwischen Fontane und Kugler grundsätzliche Über­einstimmungen.

Übereinstimmungen lassen sich auch unter speziellen Gesichtspunkten nachweisen.

Der Alterswert der Denkmale ist ein historischer Wert besonderer Art.

334