Heft 
(1975) 21
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die die Geister der Jahrhunderte und ihrer Geschicke uns umschweben läßt, die in jenen Formen mit der mahnungsvollen Stimme derer, die geschieden sind, zu uns sprechen sollte. Es ist ein tief bedeutungsvolles Wort, ,daß die Tempel alt sein sollten. 22

In der Theorie und Praxis der Denkmalpflege des 19. Jahrhunderts hat der Sinn für den Wert der Altersspuren allerdings nie recht Fuß fassen können. Das ebenfalls auf die Romantik zurückgehende Streben nach Wiedererweckung des Alten durch Restauration und Wiederaufbau hat sich dagegen durchgesetzt. Das liegt zum Teil an Besonderheiten, die durch den architektonischen Gegenstand begründet sind, zum Teil aber auch daran, daß umfassendere Restaurierungsarbeiten erst zu einem Zeit­punkt durchgeführt wurden, als die romantische Bewegung verebbte. Erst zu Beginn unseres Jahrhunderts, vor allem nach den Darlegungen Riegls, gewann der Alterswert der Denkmale in der Theorie der Denk­malpflege eine so aktuelle Bedeutung, daß sich daraus auch praktische Konsequenzen in Denkmalschutz und -pflege ergaben.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts hat Kugler jedenfalls in dieser Frage eine durchaus exzeptionelle Haltung eingenommen.

In Fontanes Denkmalbeschreibungen sind romantische Reminiszenzen insbesondere in den fünfziger und sechziger Jahren nachweisbar. Das ist an sich nicht verwunderlich, denn die Romantik wirkte gerade in diesem Bereich noch bis ins ausgehende 19. Jahrhundert und darüber hinaus. Bemerkenswert sind jedoch Parallelen zu der besonderen Haltung Kug- lers in bezug auf die Stimmungswerte der Altersspuren an den histo­rischen Denkmalen.

InJenseit des Tweed rühmt Fontane den Anblick der auf grauen Felsen erbauten Stadt Edinburgh. Man würde den Reiz der Farbe nicht missen,Das Grau dieser Häuser entspricht jenem unbestimmten Farbenton, der uns inmitten alter Dome so oft entzückt und zur An­dacht gestimmt hat. 23 Dasselbe Empfinden tritt in der Besprechung eines Bildes von Karl GraebHoher Chor der St. Georgskirche in Tübingen auf der Berliner Kunstausstellung von 1866 zutage:Der Farbenton, der den prächtigen alten Bau durchzieht, um die Grabdenk­mäler weht, an Fenstern und Pfeilern hängt, ist vielleicht die glänzendste Seite des Bildes, jedenfalls diejenige, die fast wie ein alter Romanzen­ton, am meisten Macht über unser Herz gewinnt. Alles mahnt an das Ende aller irdischen Dinge. 24

Hier zeigt sich derselbe Sinn für die emotionalen Werte der Altersspuren an den historischen Denkmalen gepaart mit einer gewissen Vorliebe für Romantisches wie in den zitierten Kuglerschen Äußerungen.

Die Bedeutung der Patina hat Fontane wiederholt in seinen Denkmal­beschreibungen geltend gemacht. Im dritten Bande derWanderungen vermerkt er dazu über die Räumlichkeiten des Schlosses Caputh: Alle haben sie jene Patina, die alten Schlössern so wohl kleidet und angesichts welcher es gleichgültig ist, ob Raum und Inhalt sich in Epoche und Jahreszahl einander decken. Nicht wie alt die Dinge sind,

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