Heft 
(1975) 21
Seite
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des alten Friedhofes in Tramnitz 31 und auch bei der Schilderung von Kloster Lindow. 32

Zwei Beispiele dafür, daß Fontane die Poesie des Verfalls auch an jüngeren Bauwerken, unabhängig vom typisch romantischen Motiv, geschätzt hat, bieten die Beschreibungen von Schloß Paretz und von Prenden. Uber die Supraportenbemalung im ehemaligen Schlafzimmer der Königin Luise im Paretzer Schloß schreibt er:[...] auch die .Supra­porten* blieben, die Genien und Amoretten über der Tür. Noch flattern ihre Bänder noch streuen sie Rosen, aber die Bänder sind vergilbt ^ und die Rosen verwelkt. 33 Das Dorf Prenden charakterisiert er im Erstdruck derWanderungen wie folgt:Es ist ein poetisches Dorf, dies Prenden, um so poetischer, als leise jenes Verfall und Tod atmende Etwas über dem Ganzen liegt, das in Kirche und Kirchhof seinen unschönen Ausdruck gefunden hat. Der Verfall, wo er die Vorstellung von Schuld und Vernachlässigung weckt, verletzt uns; aber der Verfall, in dem wir den Vollzug eines Naturgesetzes ahnen, beschleicht unser Herz mit unnennbarem Zauber. 34

Im Unterschied zu Fontane war Kuglers Haltung zum Alterswert der historischen Denkmale jedoch mehr Bestandteil einer theoretisch begrün­deten Anschauung. Fontane ließ sich stärker vom Gefühl leiten und natürlich auch von seinem speziellen poetischen Anliegen. So konnten die durch die Alterung hervorgerufenen Stimmungswerte der historischen Denkmale in seinen Beschreibungen unter Umständen jene dominante Bedeutung erhalten, wie sie in seinen Äußerungen zurPoesie des Ver­falls in Erscheinung tritt, unter subjektiv anderen Bedingungen konnte sein Sinn für solche Stimmungswerte aber auch durch gegensätzliche Interessen überlagert oder ganz verdrängt werden. So hat er zum Bei­spiel die Neuausmalung des Speyrer Domes gänzlich anders beurteilt als Kugler. Fontane hat in Übereinstimmung mit der Mehrheit seiner Zeitgenossen dies Beginnen mit Begeisterung aufgenommen. Angesichts derBunten goldnen Pracht kam der Gedanke an den evtl. Verlust anderer Werte, derHeiligkeit des Altertums (vgl. S. 335), das stim­mungsvolle Altersgrau, nicht auf. Auf die Gründe, die ihn zu dieser Haltung bewogen, wird an anderer Stelle noch eingegangen. Übereinstimmungen zwischen Kugler und Fontane lassen sich, wie bei der Beurteilung historischer Werte der Denkmale, so auch bei der Beurteilung künstlerisch-ästhetischer feststellen.

Beiden gemeinsam war die Abneigung gegen das Nüchterne, das Schul­mäßige und den übersteigerten Hang zur Symmetrie und Ordnung bei der Behandlung der historischen Denkmale, und beide hatten gleicher­maßen eine Vorliebe für malerische Wirkungen im Bereich des Architek­tonischen. t

Im Schlußabschnitt der ersten Auflage des Handbuches der Geschichte der Malerei (1837) schreibt Kugler:Was jedoch die Ausführung der Restaurationen vorhandener Monumente anbetrifft, so glaube ich, daß man gerade hierin mit der äußersten Sorgfalt verfahren müsse, daß

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