künstlerisch-ästhetischer Befriedigung wird transparent, indem er schreibt: „Dieser historische Reiz, dessen Schönheit hier verklärend wirken, das Schöne noch schöner, das Massive leichter, das Schwere graziöser gestalten sollte, dieser Reiz, sage ich, läßt einen, ähnlich wie am Altäre, so in der ganzen Kathedrale im Stich. Man erfährt nur: .Dies geschah hier 1 , aber man sieht nichts, woran unsere Vorstellung sich anlehnen, nichts, was unsere Phantasie unterstützen könnte.“ 38 Das heißt nichts anderes, als daß derselbe Kirchenraum mit einer reichen historisch anregenden Ausstattung auch das Schönheitsempfinden positiv stimuliert hätte.
Fontanes mehrfache Äußerungen zur farbigen Fassung historischer Innenräume weisen ebenfalls auf die Tendenz, dem reicher ausgestatteten Innenraum vor dem nüchternen den Vorzug zu geben. Gleichzeitig spiegeln sich in diesen Darlegungen von Fontane aufgenommene künstlerische Entwicklungstendenzen der Zeit, die als Reaktion auf die klassizistische Strenge, auch in der Innenraumgestaltung auf eine stärkere Farbigkeit hinzielten.
Während im 18. und frühen 19. Jahrhundert einer vereinheitlichenden Raumfassung — oft eine Weißaustünchung — der Vorzug gegeben wurde, bemühten sich Architekten, Maler und Restauratoren nunmehr um die Wiederherstellung der polychromen mittelalterlichen Raumfassungen oder aber um eine farbige Neufassung in Anlehnung an historische Vorbilder. Die bei Restaurierungsarbeiten an den Baudenkmalen aufgefundenen Reste mittelalterlicher Raumfassungen waren für das zeitgenössische Schaffen gleichermaßen von Bedeutung wie für die Wiederherstellung historischer Denkmale.
Fontane hat diese Bestrebungen mit Interesse verfolgt. Aus seiner Beschreibung der Heiligedreikönigskapelle des Domes zu Roeskilde (1864) geht hervor, daß er die Bemühungen, mittelalterliche Kirchenräume polychrom auszumalen, ursprünglich skeptisch betrachtet hatte: „Ich bekenne, daß ich jahrelang meine Zweifel darüber gehegt habe; diese Kapelle aber entscheidet zugunsten der Farbe. Sie zeigt unter allen Umständen, wie die Farben wirken können.“ 39 Die unter der Tünche, wie Fontane schreibt, erhalten gebliebene und nun freigelegte und restaurierte alte Ausmalung hatte ihn von der Richtigkeit der Bemühungen um die farbige Neufassung mittelalterlicher Innenräume überzeugt. Im Gegensatz dazu empfand er die helle weiß-rote Austünchung des Domes als zu nüchtern, vor allem aber im Hinblick darauf, daß er zugleich einer reichen Ausstattung entbehrte, wünscht er diesen Eindruck der „Kahlheit“ durch „Farbenfülle“ gemindert/ 10 Auch hier wieder klingt die Wechselbeziehung zwischen ästhetisch-künstlerischen und historischen Aspekten an.
Fontanes Aversion gegen die Kahlheit und Nüchternheit führt ihn in bezug auf die Beurteilung farbiger Raumfassungen jedoch über die von Kugler gezogenen Grenzen hinaus. In seinen Bemerkungen über die Neuausmalung der Dome zu Mainz, Worms und Speyer gewinnen
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