Die malerische Wirkung einzelner Bauwerke veranlaßte Fontane, auch stilistische Erwägungen zurückzustellen. So akzeptierte er z. B. die Verbindung gotischer Formen mit dem Jesuitenbarock an der Kathedrale von St. Quentin. Er begründet es mit dem Anspruch des malerischen Sinnes: „Auch das Törichte kann einen pittoresken Zug haben“. Das Für und Wider seiner Argumente, — er wägt architektonische Gesetze gegen den malerischen Sinn, der vor allem aus der Empfindung schöpfe — verrät sein Schwanken zwischen der schulmäßigen Lehre von der Stileinheit in der Baukunst und der lebendigen Anschauung, die schließlich den Sieg davontrug . 51
Ein von Fontane besonders geschätztes malerisches Motiv war die Verbindung von Architektur und Landschaft, von Gemäuer und Pflanzenwuchs. Die „Wanderungen“ bieten zahlreiche Beispiele.
In Rhejnsberg entzückte ihn das Gesamtbild, wie sich Schloß und Park vom gegenüberliegenden Ufer her präsentierten . 52 In Caputh war die von Blattwerk umrankte Freitreppe des Schlosses ein Anziehungspunkt für ihn: „Die doppelarmige Freitreppe [. ..] ist von Efeusenkem des Hauses derart umrankt und eingesponnen, daß jeden Tragstein ein zierlich-phantastischer Rahmen von hellgrünen Blättern schmückt. Die Wirkung dieses Bildes ist sehr eigentümlich. Eine Treppe in Arabeskenschmuck! Natur nahm der Kunst den Griffel aus der Hand und übertraf sie .“ 53 In der Beschreibung der Mittenwalder Kirche hebt er die durch alte Bäume, Hagedorn und Hollunderbüsche hervorgerufene malerische Wirkung hervor . 51 In dem Spreedorf Lehde fesselt ihn vor allem das Malerische der Lage und der durch Blüten und Blätter eingefaßten Häuser . 55 Das Bemühen von Architekten wie Schinkel, Persius oder Stüler, die Architektur in die Landschaft einzubinden, hat Fontane wiederholt bei der Beschreibung unter Friedrich Wilhelm IV. entstandener neuer Kirchenbauten anerkannt. Er lobt die malerische Wirkung der Kirchen in Bomstädt, Stolpe, Petzow, Nikolskoe, während er sich mit ihrer architektonischen Gestaltung zum Teil recht kritisch auseinandersetzte.
Eindeutig auf die Romantik weisen Fontanes Anforderungen, die er bei mittelalterlichen Ruinen in bezug auf die malerische Wirkung erhebt „Ruinen“, schreibt er in dem Kapitel über Kloster Chorin, „wenn sie nicht bloß, als nähme man ein Inventarium auf, nach Pfeiler und Fensterzahl beschrieben werden sollen, müssen zugleich ein Landschaftsoder auch Genrebild sein .“ 56 Im Vergleich zwischen den Klöstern Lindow und Friedland gibt Fontane der von Bäumen eng umstandenen und mit Rankenwerk überzogenen Lindower Klosterruine den Vorzug vor der relativ gut erhaltenen und deshalb eigentlich aussagestärkeren Friedländer Klosteranlage, weil letztere, freier gelegen, nicht dasselbe malerische Bild bot . 57 Auf die Beschreibung von Kloster Lehnin wurde im vorangegangenen bereits verwiesen.
Trotz gewisser romantischer Reminiszenzen ist Fontanes Vorliebe für malerische Wirkungen jedoch weit entfernt von weltferner Schwärmerei.
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