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Die Wirkung des Augsburger Domes führte er hauptsächlich darauf zurück, daß er von ästhetischer Reinigung und Erneuerung verschont geblieben sei und betonte dabei ausdrücklich die Fülle der erhalten gebliebenen Altäre mit reicher Rokokoeinrahmung. 62 - Natürlich Anden sich bei Kugler daneben auch noch eine Reihe von Äußerungen, die auf den EinAuß klassizistischer antibarocker ästhetischer Auffassungen weisen. In dem Beitrag über den Magdeburger Dom spricht er u. a. von „sämtlichen schlechten Monumenten des 17. Jahrhunderts“. 63 Zwei Statuen im Speyrer Dom erhielten den Zusatz, sie seien in dem „nicht gar erquicklichen Rokokostil ihrer Epoche“ ausgeführt. 64 In seinen Reisenotizen des Jahres 1843 vermerkte er, das Rokoko hätte kein eigentlich architektonisches Gefühl. Dennoch konnte er sich dem Zauber der Würzburger Architektur offenbar nicht verschließen, er empfand die „Vereinigung scheinbar widersprechender Formen“, den großen „Gesamtffuß“ dieser Kunst. 65 Ein tieferes Verständnis für die Barockkunst bahnte sich in dem 1852 im Deutschen Kunstblatt veröffentlichten Aufsatz „Uber das Malerische der Architektur“ an. Er hatte zwar auch hier noch Bedenken, erwähnte das „Zweifelhafte der künstlerischen Existenz“ des Rokoko und mußte aber doch gleichzeitig zugeben: „Es gibt unter den Werken des Rokokostiles Treppenhallen, die mit ihren einfallend geschlossenen und in die verschiedenen Tiefen hineinspielenden Lichtern, — es gibt Verbindungen von Pavillons, Gallerien und dergl., die im Schimmer einer verschieden abgestuften Morgenbeleuchtung unbedenklich zu dem Vollendetsten an malerischer Wirkung gehören, was das gesamte Material der Geschichte der Baukunst aufzuweisen hat. Diese Verdienste der Gesamtkomposition dürften sich nicht selten auch in der Behandlung der architektonischen Details nachweisen lassen.“ 66
Kuglers aufgeschlossene Haltung gegenüber der Barockkunst — verglichen mit den zeitüblichen Auffassungen — wurzelt einerseits in seiner Betrachtung der Denkmale als gewachsener historischer Bestand, zum anderen aber auch in seinem künstlerischen Empffnden, vorzugsweise in dem EmpAnden für malerische Werte. Kugler hat seine „Geschichte der Baukunst“ nicht vollenden können, unvollendet blieb auch die dritte Auflage seines Handbuches der Malerei. Aus dem Briefwechsel zwischen Jacob Burckhardt und Paul Heyse ist zu entnehmen, daß Kugler die Absicht hatte, die dritte Auflage in vieler Hinsicht umzuarbeiten. Burckhardt schrieb, Kugler habe ganz neue Maßstäbe angenommen und es sei unmöglich, das Fehlende im Sinne der dritten Auflage umzuarbeiten. 67 Ob Kugler sich, wenn es ihm vergönnt gewesen wäre, seine Arbeiten zu vollenden, auch zur Barockkunst ausführlicher geäußert hätte, muß dahingestellt bleiben.
Fontane hat die Bau- und Kunstdenkmale des Barock in den „Wanderungen“ wiederholt nicht .allein unter dem Gesichtspunkt ihres historischen Wertes, sondern auch in bezug auf ihren künstlerischen Wert beurteilt. In den sechziger Jahren war sein Urteil über die Barockarchitektur noch unsicher und schwankend. Einfühlung und Verständnis,
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