Heft 
(1975) 21
Seite
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Die Wirkung des Augsburger Domes führte er hauptsächlich darauf zurück, daß er von ästhetischer Reinigung und Erneuerung verschont geblieben sei und betonte dabei ausdrücklich die Fülle der erhalten gebliebenen Altäre mit reicher Rokokoeinrahmung. 62 - Natürlich Anden sich bei Kugler daneben auch noch eine Reihe von Äußerungen, die auf den EinAuß klassizistischer antibarocker ästhe­tischer Auffassungen weisen. In dem Beitrag über den Magdeburger Dom spricht er u. a. vonsämtlichen schlechten Monumenten des 17. Jahrhunderts. 63 Zwei Statuen im Speyrer Dom erhielten den Zusatz, sie seien in demnicht gar erquicklichen Rokokostil ihrer Epoche ausgeführt. 64 In seinen Reisenotizen des Jahres 1843 vermerkte er, das Rokoko hätte kein eigentlich architektonisches Gefühl. Dennoch konnte er sich dem Zauber der Würzburger Architektur offenbar nicht ver­schließen, er empfand dieVereinigung scheinbar widersprechender Formen, den großenGesamtffuß dieser Kunst. 65 Ein tieferes Verständ­nis für die Barockkunst bahnte sich in dem 1852 im Deutschen Kunst­blatt veröffentlichten AufsatzUber das Malerische der Architektur an. Er hatte zwar auch hier noch Bedenken, erwähnte dasZweifelhafte der künstlerischen Existenz des Rokoko und mußte aber doch gleich­zeitig zugeben:Es gibt unter den Werken des Rokokostiles Treppen­hallen, die mit ihren einfallend geschlossenen und in die verschiedenen Tiefen hineinspielenden Lichtern, es gibt Verbindungen von Pavillons, Gallerien und dergl., die im Schimmer einer verschieden abgestuften Morgenbeleuchtung unbedenklich zu dem Vollendetsten an malerischer Wirkung gehören, was das gesamte Material der Geschichte der Bau­kunst aufzuweisen hat. Diese Verdienste der Gesamtkomposition dürften sich nicht selten auch in der Behandlung der architektonischen Details nachweisen lassen. 66

Kuglers aufgeschlossene Haltung gegenüber der Barockkunst verglichen mit den zeitüblichen Auffassungen wurzelt einerseits in seiner Be­trachtung der Denkmale als gewachsener historischer Bestand, zum anderen aber auch in seinem künstlerischen Empffnden, vorzugsweise in dem EmpAnden für malerische Werte. Kugler hat seineGeschichte der Baukunst nicht vollenden können, unvollendet blieb auch die dritte Auflage seines Handbuches der Malerei. Aus dem Briefwechsel zwischen Jacob Burckhardt und Paul Heyse ist zu entnehmen, daß Kugler die Absicht hatte, die dritte Auflage in vieler Hinsicht umzuarbeiten. Burckhardt schrieb, Kugler habe ganz neue Maßstäbe angenommen und es sei unmöglich, das Fehlende im Sinne der dritten Auflage umzu­arbeiten. 67 Ob Kugler sich, wenn es ihm vergönnt gewesen wäre, seine Arbeiten zu vollenden, auch zur Barockkunst ausführlicher geäußert hätte, muß dahingestellt bleiben.

Fontane hat die Bau- und Kunstdenkmale des Barock in denWande­rungen wiederholt nicht .allein unter dem Gesichtspunkt ihres histo­rischen Wertes, sondern auch in bezug auf ihren künstlerischen Wert beurteilt. In den sechziger Jahren war sein Urteil über die Barock­architektur noch unsicher und schwankend. Einfühlung und Verständnis,

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