ken mag, in dem Ganzen lebt und webt eine künstlerische Potenz, gegen die es nicht gut möglich ist, sich zu verschließen“. 73 In Fontanes Äußerungen zur barocken Außenarchitektur spiegeln sich in den sechziger Jahren noch, ähnlich wie bei Kugler, die auf den Klassizismus und die Romantik zurückgehenden Vorbehalte der zeitgenössischen Kunsthistoriker gegenüber dem künstlerischen Wert der Barockarchitektur.
Bei der Schilderung der kleinen Barockkirche in Buch nennt er die Barockzeit eine „Epoche allgemeiner Geschmacksverirrung“. 74 Ir) dem Neuruppiner Kapitel in den „Wanderungen“ hebt er Friedrichs II. „Bedauerliche Vorliebe für die Schnörkel des Rokoko“ hervor. 75 Den Jütländischen Reisebriefen ist zu entnehmen, daß er gerne alle „Butterglocken-, Zwiebel- und Laternentürme“ des 18. Jahrhunderts dem Feuertode überliefert hätte. 76
Mehr Selbständigkeit im Urteil zeigen seine' Ausführungen über die Rokokozutaten von Franz Ignaz Michael Neumann am Mainzer Dom in den Rheinreisenotizen von 1865: „Aeußerlich hat man dem schönen alten Gebäude (romanisch) allerlei Roccocowerk angeflickt, doch ist es in seiner Gesamtwirkung nicht kleinlich und stört deshalb nicht.“ 77 Die Argumentation erinnert ein wenig an Kuglers Bemerkungen zu dem Neumann- schen Anbau am Speyrer Dom. Der lebendige Eindruck hat übernommenes Gedankengut bei Fontane überflügelt.
Zu Beginn der jiebziger Jahre zeichnet sich in seinem Verhältnis zur Barockarchitektur deutlich eine Wandlung ab.
Während seiner Schlesienreise im Jahre 1872 hat er sich ausführlich mit Kloster Wahlstatt beschäftigt und charakterisiert es wie folgt: „Es ist eines der besten und consequentesten Roccoco-Baue die ich gesehn und steht ebenbürtig neben dem Dresdner Zwinger, dessen Erbauung genau in dieselbe Zeit fällt. Die Thurm-Formationen mit einer Krone oben entsprechen zum Theil genau dem Haupt-Eingang des Zwingers.
Das Hauptportal der Kirche, zwischen den beiden Thürmen, ist in Erinnerung an die große Mongolenschlacht ausgeführt, sehr hübsch, sehr charakteristisch und doch ganz Roccoco.“ 78
Die Vorbehalte gegen den Barockstil scheinen überwunden zu sein. Diese Wandlung ist im Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicklung zu sehen, vor allem mit dem Beginn des Neubarock in der zeitgenössischen Baukunst. Seit 1870 etwa beurteilte auch Jacob Burckhardt, der sich lange gegen die Anerkennung des Barock gewehrt hatte, diesen Stil positiver. Dennoch ist in Anbetracht der nur sehr zögernden Anerkennung des Denkmalwertes barocker Architektur Fontanes Würdigung barocker Baukunst verhältnismäßig früh.
Es Wurde versucht, einige wesentliche Merkmale der Kuglerschen und der Fontaneschen Denkmalauffassung zu erhellen. Dabei zeigte es sich, daß diese Denkmalauffassung in vieler Hinsicht von den damals üblichen Ansichten und Praktiken abwich. Es wurden teilweise Gedanken vor-