Ebendiesen Wandel im Selbstverständnis der „Märker“ hat Fontane als erster bewirkt. Es gelang ihm, was er am 24. November 1861 programmatisch an Wilhelm Hertz schrieb: .ich hatte einfach vor, ohne
jegliche Prätension von Forschung, Gelehrsamkeit, historischem Apparat etc. meinen Landsleuten zu zeigen, daß es in ihrer nächsten Nähe auch nicht übel sei und daß es in Mark Brandenburg auch historische Städte, alte Schlösser, schöne Seen, landschaftliche Eigentümlichkeiten und Schritt für Schritt tüchtige Kerle gäbe.“ Fontane spürte hinter den „kahlen Plateaus, die .nichts als Gegend“ sind“, alte Sagen und Geschichten auf, suchte liebevoll nach den Resten wendischer Kultur, beschrieb die Zeugnisse der Zisterzienser-Baukunst, porträtierte Städte und Dörfer, Bürger und Junker, „Kutscher und Kossäten“, und er entdeckte zwischen Kiefern und Kussein, Sumpf und Sand die vielleicht bescheidene, aber erlebenswerte Schönheit der märkischen Landschaft. „Es ist mit der märkischen Natur wie mit manchen Frauen“, schrieb er im Vorwort zum ersten Band. „.Auch die häßlichste“ — sagt das Sprichwort — ,hat immer noch sieben Schönheiten.“ Ganz so ist es mit dem .Lande zwischen Oder und Elbe“; wenige Punkte sind so arm, daß sie nicht auch ihre sieben Schönheiten hätten. Man muß sie nur zu finden verstehn. Wer das Auge dafür hat, der wag es und reise.“
Obwohl Fontane die märkische Landes- und Kulturhistorie nach eigenem Geständnis „nicht wie einer, der mit der Sichel zur Ernte geht, sondern wie ein Spaziergänger, der einzelne Ähren aus dem reichen Felde zieht“, durchforschte, schuf er mit seinen „Wanderungen“ ein Standardwerk, wurde er zum Bahnbrecher des „märkischen Tourismus“. Man würde allerdings die Bände über die vier historischen Landschaften der Mark gründlich verkennen, wollte man sie als Reisehandbücher benutzen — ein Mißverständnis, dem sie bereits zu Fontanes Zeiten ausgesetzt waren (wie er mit freundlicher Ironie im Vorwort zur vierten Auflage der „Grafschaft Ruppin“ berichtet).
Die „märkischen- Bilder“ — wenn sie auch zuweilen, vor allem in den frühen Bänden, in einen hausbackenen Cicerone-Ton verfallen — halten Abstand von der Praxis des Reiseführers. Fontane tat sich etwas darauf zugute, daß er für seine „Wanderungen“ eine eigene Form der vergnüglichen Wissensvermittlung erfunden hatte: „eine neue Art, die, allem Systematischen ein Schnippchen schlagend, darauf aus ist, spielend und in novellistischer Form, die Geschichte dieses Landes von Czernebog bis Bismarck ... zu erzählen“ (an Wilhelm Hertz, 8. Oktober 1882). Der Autor befand sich mit diesem Anspruch in bewußtem Gegensatz zu den Fachhistorikern und vor allem zu den „Klein-Forschern“, die, nach seiner Meinung, über Mark Brandenburg nur „das ödeste, das bodenlos Langweiligste“ verfaßt hatten, „was Gottes Sonne je beschienen hat“; auch was von den „Novellisten, Belletristen und Feuilletonisten (immer Willibald Alexis ausgenommen, der eine ganz große Nummer war) märkisch gesündigt“ worden war, verwarf Fontane wegen „Dünnheit und Oberflächlichkeit“. Er beabsichtigte (wie es im gleichen Brief an Heinrich Jacobi vom 5. Januar 1895 nachzulesen ist), „Allerkleinstes —