fische „Wanderungen- 1 -Methodik antizipieren: am Anfang steht jeweils das ganz persönliche Reiseerlebnis, das meist humoristisch-selbstironisch zum besten gegeben wird; von diesem ersten Eindruck, der gewöhnlich mit einer einprägsamen Landschaftsschilderung verbunden ist, leitet er zielstrebig über eine Anekdote zu Geschichte und Sage, zum Genius loci über. Ähnlich suchte Fontane auch in der heimischen Mark vorzugehen: „Ja, Vorfahren vor dem Krug und über die Kirchhofsmauer klettern, ein Storchennest bewundern oder einen Hagebuttenstrauch, einen Grabstein lesen oder sich einen Spinnstubengrusel erzählen lassen — so war die Sache geplant, und so wurde sie begonnen.“ Dann aber stieß er in unbekannte Gebiete vor, er mußte historische Voraussetzungen klären, und der lockere Ton schien sich als hinderlich zu erweisen. „Eine Folge davon war“, wie Fontane im Schlußwort zum vierten Band zugibt, „daß ich aus dem ursprünglichen Plauderton des Touristen in eine historische ^Vortragsweise hineingeriet...“ Dies betraf vor allem den zweiten, dem „Oderland“ gewidmeten Band. Fontane erkannte jedoch den „Irr- und Gefahrsweg“ und kehrte in „Havelland“ und „Spreeland“ „auf dem Wege der Kritik und Reflexion“ zu bewährten, inzwischen weiterentwicklten Formen zurück.
Die formale Entwicklung der „Wanderungen“ verläuft daher vom überwiegend positivistisch-deskriptiven Referat mit zum Teil- langatmigen, heute besonders als Ballast empfundenen Beschreibungen von Bildern und „historischen Stücken“ („Rheinsberg“) zur zunehmend künstlerisch intendierten Reportage („Caputh“), vom historisch-monographischen Abriß („Schloß Friedersdorf“) zum erzählerisch aufbereiteten Feuilleton („Eine Osterfahrt in das Land Beeskow-Storkow“), wie es den letzten Band schon entschieden bestimmt. Die erzählerischen Intentionen Fontanes, die sich in den siebziger Jahren bei der Arbeit an „Vor dem Sturm“ endgültig konstituieren und in den folgenden Romanen und Novellen artikulieren, prägen die späten „Wanderungen“-Kapitel mit (zugleich freilich entstehen die umfangreichen Arbeiten über „Fünf Schlösser“, in denen Fontane auf höherer Ebene zum historischen Essay zurückstrebt — ein weiterer Beleg für das Nebeneinander von historischreportageartigen und epischen Werken). Fontane kannte die Reichweite dieser künstlerischen Entwicklung sehr genau. Als er im Sommer 1882 die vierte Auflage der „Grafschaft Ruppin“ vorbereitete, schrieb er seiner Frau: „An meinen Wanderungen“ pußle ich weiter; inhaltlich finde ich alles ganz gut, auch die Bemerkungen, die ich seinerzeit eingestreut habe, sind richtig und mitunter nicht ohne Geist und Humor, aber der Ausdruck ist überall unvollkommen; ich bin erst in dem Unglücksjahre 76 ein wirklicher Schriftsteller geworden; vorher war ich ein beanlagter Mensch, der was schrieb. Das ist aber nicht genug.“
Von dieser Bemerkung aus läßt sich der Frage nachgehen, inwieweit die mit soviel schriftstellerischem Engagement betriebenen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ auch die Wandlungen des Autors Fontane reflektieren. Denn das apostrophierte „Unglücksjahr 76“, in dem Fontane nach wenigen Dienstmonaten vom Amt des Ersten Sekretärs
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