Heft 
(1975) 21
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der Akademie der Künste zurücktrat und damit den letzten Versuch eines persönlichen Arrangements mit der preußischen Ministerialbüro- kratie scheitern sah dieses Jahr gehäufter Demütigungen und Krän­kungen macht jenen Knacks, den Fontanes Preußen-Begeisterung schon längst weggekriegt hat, zum Bruch und wird darum im Selbstverständnis des Schriftstellers so hoch veranschlagt. Die Entstehung derWanderun­gen zwischen 1859 und 1881 spiegelt und repräsentiert den politischen Ernüchterungsprozeß, den man für ein gerechtes Verständnis des in dieser Hinsicht heterogenen Werkes im Auge behalten muß.

Fontane hatte in den vierziger Jahren mit Lyrik und Publizistik von revolutionär-demokratischem Zuschnitt begonnen und stand 1848 folge­richtig auf den Berliner Barrikaden. Als die Bourgeoisie dann aber vor ihrer revolutionären Aufgabe versagte und die bürgerliche Intelligenz soweit sie nicht emigrierte sich ratlos nach Orientierungspunkten umsah, da geriet Fontane, zunächst von materieller Not bedrängt, später, in den englischen Jahren, auch von der Sehnsucht nach der Heimat verführt, in ein Sympathieverhältnis zum märkischen Adel hinein ein Verhältnis, das nie ungetrübt, aber vorübergehend relativ eng war. In der Misere der Restaurationszeit kapriziert sich Fontane auf ein romantisiertes Bild märkischen Adels. Von einer ausbeutereichenWan­derung nach Gusow und Friedersdorf zurückkehrend, bekennt er in einem Brief an die Mutter vom 28. Mai 1860:Es verlohnt sich doch eigentlich nur noch, ,von Familie 1 zu sein. Zehn Generationen von 500 Schultzes und Lehmanns sind noch lange nicht so interessant wie 3 Generationen eines einzigen Marwitz-Zweiges. Wer den Adel abschaffen wollte,, schaffte den letzten Rest von Poesie aus der Welt. Als er um diese Zeit als Redakteur desenglischen Artikels bei der erzreak- tionärenKreuzzeitung eintritt, die schon seit Oktober 1859 seine Märkischen Bilder (den Grundstock des erstenWanderungen-Ban­des) in Fortsetzungen bringt, rechtfertigt er seinen Schritt in einem Brief an Paul Heyse:Man wird mit den Jahren ehrlich und aufrichtig konservativer und läßt sich durch Persönlichkeiten und zufällige Vor­kommnisse immer weniger in den großen Prinzipien beirren. Mit einer ähnlichen Formulierung bietet Fontane am 31. Oktober 1860 Wilhelm Hertz eine Buchausgabe derMärkischen Bilder an:Der Inhalt ist entschieden konservativ (nicht in dem häßlichen Sinne von Reaktio­när 1 ) ... Auch in einem Brief an Ernst Ludwig Kossack vom Februar 1864 wiederholt er die Überzeugung,daß uns der Konservatismus, dep ich im Sinne habe, not tut.

Aus dieser Haltung resultieren eine Reihe von loyalen, ja propreußischen Erklärungen über dasHumanitätsgefühl der Hohenzollern etwa oder das Havelland alsPreußenwiege usw., und damit steht auch die verfälschend-tendenziöse Darstellung des BerlinerZeughaussturms von 1848 und der Dresdener Ereignisse von 1849 im Zusammenhang, die erst Anfang der siebziger Jahre entstand und 1875 in die dritte Auflage derGrafschaft Ruppin eingegliedert wurde. Dieser Abschnitt gehört zu den mannigfachen Retuschen, die Fontane an seinem eigenen Ver-

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