Indes entdeckt man kritische Akzente nicht erst in den letzten Bänden der „Wanderungen“; sie kündigen sich bereits in der — immerhin noch am stärksten konservativen, später aber auch besonders intensiv umgearbeiteten — Ausgabe des ersten Bandes von 1862 an, wo hinter dem wohlwollenden Interesse für manchen alten Junker schon ironische Distanz spürbar wird. Denn was hat — um ihn noch einmal zu bemühen — der „letzte Zieten“ eigentlich zu bieten? Ein Bonmot sei das Beste, was er hinterlassen habe; ansonsten figuriert er als Verwalter des Familienruhms, unfähig, selbst noch etwas dazu beizutragen. Er verschwendet seinen bescheidenen Scharfsinn allenfalls darauf, die Leute zu mystifizieren. Dieses recht blamable Porträt signalisiert die Schwierigkeiten, die der märkische Stoff dem Autor bereitete, und er hat — wenn auch in anderem Zusammenhang — in einem Brief an seine Frau vom 8. August 1883 seine Situation mit folgendem Apergu umrissen: „Herwegh schließt eines seiner Sonette (,An die Dichter 1 ) mit der Wendung:
Und wenn einmal ein Löwe vor euch steht,
Sollt ihr nicht das Insekt auf ihm besingen.
Gut. Ich bin danach Lausedichter, zum Teil sogar aus Passion; aber doch auch wegen Abwesenheit des Löwen.“
Und den besagten Löwen vermißte Fontane nicht nur in Wustrau. Was er bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten vom „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. ausplaudert (etwa in den Kapiteln „Karwe“ und „Wust“), gereicht dem Nestor des preußischen Militarismus wahrhaftig nicht zur Ehre. Und selbst manche Stelle über den „großen König“, Friedrich II., relativiert sich, wenn man etwa folgende Äußerung in einem Brief an Paul Becher vom 19. September 1882 hinzunimmt, der für die vierte Auflage der „Grafschaft Ruppin“ neues Material „über Rekrutierungs- und Geldnotangelegenheiten“ des Kronprinzen zur Verfügung gestellt hatte: „Daß man durch die Lektüre dieser Briefe in seiner Bewunderung des großen Königs bestärkt würde, läßt sich freilich nicht behaupten. Gewiß war er das Opfer der Verhältnisse, und die Geschichte muß bei dem Urteil, das sie fällt, über Häßlichkeiten hinweg- zusehn wissen, aber das ästhetische und selbst das natürliche Gefühl kann es nicht. Erst 3000 Dukaten nehmen und dann ,aus Dankbarkeit“ Schlesien dazu macht keinen schönen Eindruck. Groß mag es sein, hübsch ist es nicht.“
Sicher, Fontane hat viele Jahre lang in jedem „Herrenhaus“ vorgesprochen, und ein „Buddler seines Schlages“ kannte jedes „Haus des Herrn“. Er hat mit unendlicher Mühe und echtem Enthusiasmus auch entlegene Nachrichten über die Adelsfamilien und ihre Militärkarriere züsammen- getragen und konnte in dem Gedicht „An,meinem Fünfundsiebzigsten“ zu Recht sagen:
Du bist der Mann der Jagow und Lochow,
Der Stechow und Bredow, der Quitzow und Rochow,
Du kanntest keine größeren Meriten
Als die von Schwerin und vom alten Zieten,
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