russische Dampfschiffe, die den Kaiser Nikolaus brachten — das war besser als die unregelmäßige Verba, dgs einzig Unregelmäßige, was es in Ruppin gab.“ Vor allem aber haben die England-Aufenthalte der vierziger und fünfziger Jahre den orientierenden Sinn für die Welt geschärft und zugleich den Blick auf die Mark gelenkt. Im Vorwort zur „Grafschaft Ruppin“ kann man nachlesen, wie der poesievolle Besuch in Lochleven-Castle den Dichter an das märkische Rheinsberg erinnerte und seinem Vorhaben erste klarere Konturen verlieh. Mit einer Platitüde
— allerdings als Zitat gekennzeichnet — leitet er dieses Vorwort ein: „Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen“. In jener konservativen Phase zu Beginn der sechziger Jahre führt dieses Heimatgefühl — das ist unbestreitbar — zu gewissen lokalpatriotischen Tendenzen, auf deren Formulierungen wir heute — „im Lichte unserer Erfahrungen“ — allergisch reagieren. Kossack gegenüber bemerkt Fontane einmal: „Ich schreibe diese Bücher aus reiner Liebe zur Scholle, aus dem Gefühl und dem Bewußtsein (die mir beide in der Fremde gekommen sind), daß in dieser Liebe unsere allerbesten Kräfte wurzeln, Keime eines echten Konservatismus.“ Doch auch hier ist die weitere Entwicklung des Autors mitzubedenken, die ihr Ziel in einem konträren Bekenntnis erreicht. Im letzten Roman nämlich, wo Märkisches und Englisches, Provinzielles und „Welthaltiges“ noch einmal sorgsam gegeneinander abgewogen werden, läßt Fontane im zwölften Kapitel den jungen Stechlin ins Tagebuch schreiben: „Papa sitzt nun seit richtigen dreißig Jahren in seinem Ruppiner Winkel fest, der Graf [Barby] war ebensolange draußen! Ein Botschaftsrat ist eben was andres als ein Ritterschaftsrat, und an der Themse wächst man sich anders aus als am ,Stechlin'
— unsern Stechlin dabei natürlich in Ehren. ... Nebenher freilich ist er [Graf Barby] Weltmann, und das gibt dann den Unterschied und das Übergewicht. Er weiß — was sie hierzulande nicht wissen oder nicht wissen wollen —, daß hinterm Berge auch noch Leute wohnen. Und mitunter noch ganz andre.“ Was Fontane bereits 1874 im „Wanderungs“- Kapitel über den Großen Stechlin angedeutet hatte, das wird nun im bekenntnisreichen Altersroman zum zentralen Thema. Der Stechlin, durch geheimnisvolle Beziehungen mit der „großen Welt“ verbunden, durch die Sage vom roten Han zum heimlichen Revolutionär unter den romantischen Seen der Mark bestimmt,'wird zum überzeugenden Symbol für das dialektische Wechselspiel von alt und neu, von drinnen und draußen: „... vor allem sollen wir, wie der Stechlin uns lehrt, den großen Zusammenhang der Dinge nie vergessen. Sich abschließen heißt sich einmauern, und sich einmauem ist Tod. Es kommt darauf an, daß wir gerade das beständig gegenwärtig haben.“
Zugegeben: die Maxime von Heimat und Welt bildet nur hier und da den Tenor der „Wanderungen“, aber auf seine Weise schenkte Fontane auch darin dem „großen Zusammenhang der Dinge“ seine Beachtung
— den sozialhistorischen Relationen und Entwicklungen beispielsweise. Man darf — was mitunter tendenziös übersehen wird — nicht außer acht lassen, daß die „Wanderungen“ keineswegs eine bloße Historie märki-
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