als uns die Mitteilung erreichte, 84 Jahre alt. Die im selben Brief erwähnte Kusine Anna Zelle, Tochter von Robert Zelle, dem späteren Oberbürgermeister von Berlin, heiratete Gotthold Lessing, den Sohn des Besitzers der Vossischen Zeitung, Karl Robert Lessing.
Eine wichtige Aufklärung einer im Brief 786 (an Zöllner) erwähnten Episode, die Fontanes Sohn Theo betrifft, verdanke ich Frau Ursula von Förster, Enkelin dieses Sohnes. Diese Episode, die Fontane in Ärger und Mißstimmung versetzte, würde uns heute wohl eher ein Lächeln abgewinnen (und der Romancier Fontane hätte sie wohl auch mit Humor behandelt), doch muß sie einen derartigen Mißklang hervorgerufen haben, daß der Sohn Theo in seinen Lebenserinnerungen ausführlich darauf eingeht.
Weihnachten 1885 feierte George Fontane, der älteste Sohn, seine Verlobung mit Martha Robert, und Theo war aus Münster auf Urlaub gekommen. Nachdem nun Theo in seinen Lebenserinnerungen zuerst auf die im wesentlichen wirtschaftlichen Gründe eingeht, die ihn selber bisher vom Heiraten abgehalten, wozu auch bei dem „recht schwankenden Gesundheitszustand“ seines Vaters die Sorge für die Zukunft der Familie kam, berichtet er ausführlich über die von Fontane angedeutete Episode. Die Heirat des Bruders in eine wohlhabende Familie schien Theo von seiner Sorge gewissermaßen zu befreien, was die spontane Reaktion auslöste, die in seinen eigenen Worten hier wiedergegeben werden soll:
„Derlei Erwägungen mögen damals in meinem Unterbewußtsein herumgespukt und wohl dazu beigetragen haben, mich einen Schritt tun zu lassen, den ich am ersten oder zweiten Weihnachtstage, jedenfalls am Datum des Verlobungs-Diners [dem 2b. Dezember] im Robertschen Haus unternommen habe. In der Absicht einige befreundete und nicht zu weit wohnende Familien wiederzusehen, stieg ich auch zum Besuch bei Zöllners die Treppen des Hauses Matthaei-Kirchstr. 10 hinan, als mir von oben her meine Jugendgespielin im Schmuck ihres tizian-blond-goldenen Haares entgegen kam, wie immer sehr angenehm und bei ihrem herzlichen Verlobungsglückwunsch doppelt liebenswürdig wirkend.
Bei diesem Anblick zogen blitzschnell meine Tage im finsteren Münster sowie die eben entwickelten Gedankengänge durch das Hirn, so daß ich auf ihre Frage: „Was sagst denn Du dazu?“ die Gegenfrage stellte: „Und was würdest Du dazu sagen, wenn wir heute bei Roberts Doppel Verlobung feiern würden?“ Sie stotterte: „Wie meinst Du das?“ „Nun, wir beide!“
Da hatte ich meinen Korb weg. Zwar schüttelte sie nur leise den Kopf, war aber ganz blaß geworden. Ich werde wohl ähnlich ausgesehen haben, denn als ich midi umdrehen wollte, sagte sie: „Ruhe Dich doch erst ein bißchen bei uns aus!“. Mit nicht ganz gehorsamen Knien stieg ich die letzten Stufen empor und saß recht verdattert auf dem Sofa, während Tante Zöllner mir nur
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