über Paul Schlenther herkam...“ 121 hat Fontane nicht mehr erlebt. Schlenther reichte nach zwölf Jahren voller Querelen seinen Rücktritt ein und kehrte nach Berlin zurück. Hier arbeitete er bis zu seinem Tode im Jahre 1916 als Kritiker am „Berliner Tageblatt“.
Seiner Frau war es gelungen, sich eine zweite Karriere am Schauspielhaus in Berlin aufzubauen. Als sie 1895 nach fast einjähriger Krankheit an das Königliche Theater zurückgekehrt war, hatte sie unerfreuliche Veränderungen hinnehmen müssen. Ihre lange Abwesenheit und der Zweifel an ihrer endgültigen Genesung hatten die Intendanz veranlaßt, eine zweite, jüngere Vertreterin für das eigentliche Rollenfach der Conrad zu engagieren. Die Künstlerin war gezwungen worden, ihr ohnehin schon begrenztes Rollenkontingent mit der Kollegin zu teilen und lieb gewordene Rollen ohne Widerspruch abzugeben. Aus diesem Grunde hatte sie sich an den Gedanken gewöhnen können, das Theater zu verlassen und dem Gatten nach Wien zu folgen. Ihre künstlerische Tätigkeit beschränkte sich auf einige Gastspiele, die sie in Prag, Berlin, Brünn (heute Brno) und Graz absolvierte, unter anderem mit großem Erfolg als Madame Sans-Gene in Sardous 122 gleichnamigen Lustspiel und auf einen Gastvertrag an Brahms 123 Deutschem Theater in Berlin. Hier spielte sie neben den großen Schauspielern des Naturalismus, neben Else Lehmann 124 , Oscar Sauer 125 , Albert Bassermann 1211 und Rudolf Rittner 127 die Rolle der Frau Flamm in der Uraufführung von Gerhart Hauptmanns „Rose Bernd“ am 31. Oktober 1903.
Ihr Comeback am Berliner Hoftheater feierte sie im Februar 1914 in einer Gastrolle als Mutter Ase in Ibsens Schauspiel „Peer Gynt“. Bis zu ihrem Abschied von der Bühne im Jahre 1932 bewies Paula Conrad am Königlichen Schauspielhaus und dem späteren Staatstheater ihre ungewöhnliche schauspielerische Wandlungsfähigkeit in zahlreichen Mütterrollen und in legitimer Nachfolge ihrer einstigen Naiven in der Darstellung der komischen Alten. Auf diese Weise „gehörte sie zu den wenigen, die einer berühmten Jugend noch ein ruhmvolles Alter folgen lassen konnten“ 128 .
Paula Conrad starb am 9. August 1938 nach längerer Krankheit im Alter von 78 Jahren in einem Altenheim in Berlin-Friedenau.
Theodor Fontane ist nicht mehr dazu gekommen, sein Urteil über Wesen und Wirken der Schauspielerin Paula Conrad in einer gesonderten Niederschrift zu formulieren. Seine Absicht „Ich muß dann die Theaterkritiken ... durchsehen und dann die Hauptmomente herausgreifen: die Franzosen, die Italiener, die Engländer, dann Paula Conrad, die Ziegler, Döring... “ 129 konnte der Dichter nicht mehr realisieren. Die Erinnerung an Paula Conrad hat aber in Fontanes literarischem Werk ihren Platz gefunden. In seinem 1896 erschienenen Roman „Die Poggenpuhls“ schildert Fontane ein Gespräch zwischen Sophie von Poggenpuhl und Manfred von Klessentin, in dem er den Schauspieler zum Sprachrohr seiner Gedanken macht: „Sie fragte während ihres jetzt beginnenden Geplauders mit ihrem Partner auch nach Fräulein Conrad, von deren Verlobung
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