„Was ist das?“ „Es 42a wird wer verirrt sein.“ „Da müssen wir helfen.“ „Wer will da helfen?“ So parlieren sie hin und her, bis ihm’s der Förster erlaubt.
Er nimmt nun ein Gewehr und geht hinaus. Er fällt in Untiefen, verliert den Weg; endlich am Rande des Weges sitzen zwei Menschen, starr, wie tot. Er schoß das Gewehr ab, um zu sehn, ob der Knall sie wecke, einer regte sich auch, der andre blieb starr. Es waren betrunkene Jagdbauem'* 20 , die von einem Dorf zum andern wollten. Mit unsäglichen Mühen schleppte er sie zurück. Der Förster spöttelte über die ganze Rettungsgeschichte, und er zürnte ihm. Die beiden blieben ,,2c Nacht und gingen dann in ihr Dorf.
Eine Woche später kamen sie vorbei und sahen den Förster u[nd] den Knaben in der Tür stehn; sie gingen vorbei und grüßten nicht einmal. Der Förster wies auf sie, als sie vorüber waren, und sagte: „Sieh, so sind die Menschen.“ Er, der Knabe' 12 ' 1 , wandte sich ab und weinte. Das war sein erster Schmerz über Menschentum.
N achbemerkungen
Fontane hat eine stattliche Anzahl von Plänen und Entwürfen zu Romanen und Novellen hinterlassen, die mehr oder minder weit ausgeführt sind. Sie stellen den beachtlichen Rest eines bewußt gesammelten Fundus von Stoffen dar, von denen der Dichter einige ausgewählt und gestaltet hat, während die anderen als unbearbeitetes Rohmaterial liegen blieben oder nach dem ersten Anlauf zu einer Bearbeitung beiseite gelegt wurden.
Das intensivere Sammeln von Stoffen scheint begonnen zu haben, als der erste Roman („Vor dem Sturm“) beendet war und Fontane andere epische Werke in Angriff nahm. Dabei war es Fontanes ausgesprochene Absicht, aus dem Vollen schöpfen zu können. Schreibt er doch am 15. 5. 1878 an Mathilde von Rohr: „Ich sammle jetzt Novellenstoffe, habe fast ein ganzes Dutzend, will aber mit der Ausarbeitung nicht eher vorgehn, als bis mir noch mehr zur Verfügung stehn. Es liegt für mich etwas ungemein Beruhigendes darin, über eine Fülle von Stoff disponieren zu können, etwa wie man mit einer Extrasumme auf der Brust leichter auf Reisen geht, wie wenn man schon zwischen Berlin und Jüterbog an zu rechnen fängt und von der Frage gequält wird: wird es auch reichen?“ 43
Die Sammeltätigkeit muß zu sehr guten Erfolgen geführt haben, so daß Fontane sieben Jahre später (am 3. 7. 1885) gegenüber Mathilde von Rohr befriedigt feststellen konnte: „Was ich an Material zu meinen Arbeiten brauche, das habe ich [...], ja, so viel davon, daß ich’s nie abarbeaten kann.“ 44
In der Tat hat Fontane nur das wenigste „abarbeiten“ können, das meiste blieb ungenutzt und erlaubt uns wertvolle Einblicke in die Schaffensweise des Dichters.
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