sein muß, das konservative Festhalten am „alten Regime“ aber als eine Bindung an „Erfahrung“ und Praxis gilt. Das ist insofern von Wichtigkeit, als damit der „Fortschritt“ von vornherein als etwas relativ Wirk- lichkeits- und Praxisfernes, nur Erdachtes hingestellt und ‘folglich abgewertet wird 47 . Da schließlich die „Vereinigung beider Prinzipien“ durch „das Leben, Erfahrung, Politik“, also in der Praxis erfolgen soll, dürfte die einseitige Antithese Fortsehritt/Theorie — Konservatismus/ Praxis zuungunsten des „Fortschritts“ ausschlagen, denn er ist mit dem Mangel des bloß Theoretischen behaftet und wird der Überprüfung durch die Praxis nur mit Mühe standhalten. Wahrscheinlich wird der liberale Professor schlechter abschneiden als der konservative Gutsbesitzer.
Der Entwurf wirkt wie ein Schema, in dem zwei ideologische und politische Richtungen und ihre Vertreter einander gegenüberstehen. Die beiden Hauptpersonen sind kurz skizziert, die Nebenpersonen nur aufgezählt. Worin die Handlung bestehen soll, erfahren wir nicht, lediglich, zu welchem Ergebnis sie führen soll. Ob die Personen mehr als Sprecher einer politischen Strömung sein werden, könnte erst die Ausführung des Entwurfs zeigen.
Es muß sich bei dem Entwurf, der einen Umfang von vier Blatt hat, um die erste flüchtige Niederschrift handeln, denn auf demselben Blatt werden die Herren von Holzenbeck erst als Vettern, dann als Brüder bezeichnet. Wenn nicht der Hauptteil des Entwurfs, so ist jedenfalls das auf Blatt 3 Hinzugefügte frühestens Ende 1878 geschrieben. Das ergibt sich aus dem Hinweis auf das Sozialistengesetz. Im übrigen setzt die auf dem ersten Blatt gebrauchte Bezeichnung „Neuer Roman“ voraus, daß mindestens der erste Roman abgeschlossen war oder kurz vor dem Abschluß stand. Da nun die Arbeit an „Vor dem Sturm“ im April 1878 beendet wurde, kann der Hauptteil des Entwurfs zu „Die Bekehrten“ nicht vor 1878 entstanden sein.
Der dritte Entwurf, „So oder so?“, kreist um zwei bei Fontane oft wiederkehrende Themen: die gesellschaftliche Stellung der Schriftsteller (speziell Fontanes eigene Lage) und die Glücksproblematik.
Daß der Schriftsteller im Preußen/Deutschland der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ungenügend geachtet, wenn nicht gar gering geschätzt wird und daß er in mehr oder minder schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, darüber hat sich Fontane vor allem in seinen Briefen und in einem Aufsatz bzw. in Aufzeichnungen geäußert 48 . Daß Fontane selbst von diesen Mißständen (von den letzten beiden Lebensjahrzehnten abgesehen) hart genug betroffen war, beklagt er in vielen Briefen, insbesondere in denen an Mathilde von Rohr und Georg Friedlaender 49 . Sie sind bekannt, und es ist nicht nötig, hier daraus zu zitieren, um zu belegen, daß verschiedene Gedanken aus diesem Problemkomplex in „So oder so?“ eine Rolle spielen.
Aufmerksam zu machen ist jedoch auf dies: In „So oder so?“ tritt der bei Fontane immerhin seltene Fall ein, daß Lebensfragen eines Schriftstellers zum Gegenstand der Dichtung werden.
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