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giebigkeit. Dieses kleine Eva-Motiv spiegelt in sich einerseits die schon erwähnte Vorliebe für das Aparte, hängt aber andererseits mit der Weichheit von Eifis Charakter zusammen, worauf vorausdeutend von den Eltern hingewiesen wird. Als Johanna Elfis seidenweiche Haare bewundert, antwortet Effi: „Aber das ist nicht gut, Johanna. Wie das Haar ist, ist der Charakter .“ 11 Nach der Schloon-Episode sagt Innstetten zu Elfi, als er sie vor Crampas warnt: „Du bist eine reizende kleine Frau, aber Festigkeit ist eben nicht deine Spezialität .“ 12 Ein Echo davon erklingt in den Worten Frau von Briests in dem zweiten bedeutenden Gespräch der Eltern über Effi: „Sie läßt sich gern treiben, und wenn die Welle gut ist, dann ist sie auch selber gut. Kampf und Widerstand sind nicht ihre Sache .“ 13 Die Schaukeln und Klettern und Züge liebende, auf das Aparte eingestellte, Eva-ähnliche „Tochter der Luft“, die am glücklichsten ist in ihrer natur-nahen Heimat, heiratet einen „Mann von Grundsätzen“, wie Niemeyer Innstetten nennt. Durch eine hinweisende, leitmotivisch gestaltete Anspielung auf den Kontrast der Ehegatten, bereitet Fontane den Leser auf den Ehebruch vor: im Kleinen steckt viel Bedeutendes.
Innstetten gehorcht jeder ihn betreffenden Gesetzlichkeit; er scheint die Personifizierung der Ordnung. Als sein Urlaub zu Ende ist, bricht das junge Ehepaar auch die Hochzeitsreise ab, denn „es entsprach seinem Charakter und seinen Gewohnheiten, genau Zeit und Stunde zu halten .“ 14 Er steht früh auf, arbeitet, bevor er das Früstück gemeinsam mit seiner Frau einnimmt, und setzt sich nach dem Abendessen auch wieder regel- mäffig an die Arbeit. In seinem Gespräch mit Crampas betont Innstetten, „daß es ohne Zucht und Ordnung nicht geht.“ Effi selbst nennt Innstetten den „Mann der Formen“, der immer das richtige Wort zu treffen weiß.
Rückblickend wird die Gegensätzlichkeit der Ehepartner und die daraus entsprechende Entzweiung in einem Bild, das wir im letzten Kapitel des Romans Anden, veranschaulicht: Effi sieht „zwei Rauchfahnen, die sich einen Augenblick wie deckten und dann nach links und rechts hin wieder auseinandergingen, bis sie hinter Dorf und Wäldchen verschwanden .“ 15
II. Leitmotivische Gegenüberstellung von Rollo und von dem Spuk: Ordnung und Unordnung.
In dem Hause des Mannes der Ordnung und Formen herrscht aber eine Unordnung und Unklarheit, denn es ist von einem Spuk besessen. Dieser Spuk, den Fontane selbst als den Drehpunkt des Romans bezeichnet, funktioniert im erweiterten Sinne tatsächlich so. Die Vorstellung eines Spukes ruft sofort eine Verbindung mit dem Unheimlichen, dem Entfremdenden, mit der Angst hervor. In Effis Leben tritt die Angst vor dem Spuk in dem Moment auf, ja gar vor dem Moment, da sie von ihrer zukünftigen Ehe erfährt, die sie aus dem ihr vertrauten „Klima“ der Wärme und Sicherheit, aus ihrer glücklichen Kindheit entfernen wird. Der Spuk verwirklicht sich erst in dem „verwünschten Haus“ in Kessin: Crampas erscheint wie vom Schicksal gerufen, um die Lücke der Langeweile und Unzufriedenheit in Effis Leben auszufüllen. In Effis
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