versöhnlichen Unterschied in den Persönlichkeiten und im Alter der Ehegatten — diese Angst wird schon von verschiedenen Charakteren geäußert, bevor die Ehe eingegangen wird. Diese Gefühle der Angst und der Bange dienen als eine Art von Vorspiel, als einleitender Hinweis auf das Auftreten des Spukes in der bitter ironischen „Komödie“ (Effis Bezeichnung), die sich unter drei Personen abspielt. Effis Spielkameradin Herta fragt, ob Innstetten der richtige sei, denn sie bangt um Effi. In einem Gespräch zwischen Efii und ihrer Mutter vor der Hochzeit macht sich Frau von Briest Sorgen übet Effis Mangel an Interesse und über ihre Tränen: Beide drücken eine wahre Scheu vor der Ehe aus. Effi selbst erkennt das Hindernis, woran die Ehe scheitern wird, indem sie mit Niemeier einsieht, daß Innstetten ein Mann von Grundsätzen ist: „Ach, und ich ... ich habe keine. Sieh, Mama, da liegt etwas, was mich quält und ängstigt. Er ist so lieb und gut gegen mich und so nachsichtig, aber... ich fürchte mich vor ihm .“ 27 Frau von Briest spridit ihrem Manne gegenüber ihre Angstgefühle über Effis Einstellung aus. Der Leser wird also langsam, sorgfältig auf etwas Schauderhaftes vorbereitet.
Schon auf dem Wege nach Kessin erwähnt Innstetten die exotische Atmosphäre der Hafenstadt und auch mitunter den Chinesen, der dicht am Kirchhof begraben liegt. Effis erste Nacht in Kessin ist ruhig; sie erzählt Johanna von den Schleppkleidern, die sie über die Diele hat hinschleifen hören, die Johanna aber nur als die Gardinen im oberen Saal erklärt. Als Innstetten zum ersten Mal weg ist, meint Effi den auf den Stuhl geklebten Chinesen als Spuk gesehen zu haben. Was Effi am meisten verdrießt sie, daß Innstetten auf ihre Angstgefühle nicht reagiert. Hier fängt schon die wahre Ursache von Effis Angst an durchzuschimmem; sie fühlt sich verlassen und mißverstanden und wegen ihrer Angst verspottet. Effi hört die Geschichte von dem Chinesen auf einer Schlittenfahrt mit Innstetten; ihre Fantasie wird dadurch angeregt, aber ihre Angst vermindert sich nicht. Für den Leser enthält die Geschichte selbst, in der sich ein Ehebruch vermuten läßt, bereits einen Hinweis auf den Ehebruch Effis.
Der Spuk bleibt Effi immer gegenwärtig: Er beschattet sie und ihr Denken. Bei einer Soiree in Gieshüblers Haus unterhält sidi Effi mit der Trippelli über Gespenster: Die Äußerungen der Trippelli bestätigen nur Effis Angst, besonders indem die Sängerin sagt: „Man ist links und rechts umlauert, hinten und vorn. Sie werden das noch kennen lernen .“ 28 Die Prophetie vollzieht sich, da Effi den Schatten ihrer Angst erst kurz vor ihrem Tod, im Elternhaus, los wird. Sie will fort von dem verwünschten Haus, das ihr so leer und einsam erscheint, doch „gemütlich und un- heimhch zugleich“. Sie fühlt sich unwohl und nidit zu Hause. Die Angst schwindet nur, wenn sie bedingungslose Wärme und Liebe bei und um sich empfindet, die ihr außerhalb von Hohen-Cremmen bloß Roswitha und Rollo bieten.
Von Crampas wird der Spuk als ein Erziehungsmittel Innstettens gedeutet. Von nun an sieht Effi den Spuk tatsächlich als „einen Cherub mit dem Schwert“, wie Crampas ihn nennt, und sie wehrt sich mit innerem Trotz
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