Effis ursprüngliche Furcht vor Entdeckung verwirklicht sich doch, indem ihr altes Leben in der Gestalt von Crampas’ Briefen in ihr neues eingreift. Der Spuk kommt endlich zu seinem vollen Recht: Die Verwirklichung von Effis Ängsten bringt fatale Konsequenzen mit sich — drei zerstörte Lebenskreise: Crampas wird erschossen, Innstetten und Effi gehen geistig zugrunde. Nicht einmal die Katastrophe befreit Effi von ihrem „Spuk“. Eine unerklärliche Angst tritt wieder in Effis einsame Existenz ein; Roswitha bleibt ihr einziger Schutz dagegen. Vor ihrem eigenen Kinde fürchtet sich Effi auch. Nur durch den Tod wird Effi von ihrem Spuk erlöst; Rollo bleibt ihre Stütze und Sicherheit bis zum Ende, denn er ist urteilslos. Obwohl Effi in ihrem Elternhaus noch glückliche Tage erlebt, ist es zu spät, um noch ein neues, ordnungsgemäßes Leben aufzubauen. Der Spuk der Entfremdung und Unordnung, der Effi gequält hat, kann nur durch ihren Tod vernichtet werden. Sogar ihrer alten Heimat ist Effi entwachsen, sogar ihre alte Heimat kann sie nicht mehr befriedigen: Für die „Tochter der Luft“ bleibt nur der Himmel übrig. Und wie ein Spuk bleibt der Blick von Crampas vor Innstetten.
In dem chinesischen Spuk ist das „spukhafte“ Motiv der Angst und der Unordnung bildhaft dargestellt. Dieses Leitmotiv, sowie dessen Gegenbild der instinktiven, natürlichen Treu*, verkörpert in Roswitha und Rollo, dient dazu, das eigentliche Thema des Romans y die Spannung zwischen Konventionalität und Spontaneität — hervorzuheben. Die verschiedenen Handlungssträhnen fließen hier zusammen: Natürliche Ordnung erzeugt Liebe und ein Gefühl der Geborgenheit; gezwungene Ordnung Angst.
III. Hinweise auf den Ehebruch in Gespräch und Symbol.
Gegen den Ehebruch, der dem Leser von Anfang an durch Fontanes Andeutungen fast schicksalhaft und unvermeidlich vorkommt, versucht Effi sich auf ihre Art zu wehren. Sie sucht nach Schutz außerhalb ihrer unmittelbaren Umgebung. Symbolisch deutet Fontane auf Effis innere Anstrengungen. Sie verbindet Schnee mit „Schutz und Beistand“, eine Vorstellung, die sie dem Gedicht „Die Gottesmauer“ entnimmt. Wenn sie mit Crampas im Schlitten sitzt, betet sie, daß Gott eine Mauer um sie aufrichte, wie einst um das Mütterchen. Aber wiederum zeigt sich Effi als das schaukelnde Kind, das von dem Aparten angezogen wird: „Sie fürchtete sich und war doch zugleich wie in einem Zauberbann und wollte auch nicht heraus .“ 34 Effis Suche nach Schutz, nach einem festen Halt, verdeutlicht sich in ihrer Freude über die roten Husaren, die man in Kessin stationieren will. Für Effi sind die Husaren das Symbol der letzten Hoffnung, die sie davor bewahren sollen, sich endgültig der sie bedrohenden Gefahr hinzugeben. „All das unschuldige Glück ihrer Kinderjahre stand mit einem Mal wieder vor ihrer Seele, und im Augenblick war es ihr, als ob rote Husaren — denn es waren auch rote, wie daheim in Hohen-Cremmen — so recht eigentlich die Hüter von Paradies und Unschuld seien .“ 35 Die roten Husaren kommen aber nicht, und schließlich
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