Heft 
(1976) 23
Seite
525
Einzelbild herunterladen

Für eine solche Nachforschung ergeben sich dadurch besondere Schwierig- rigkeiten, da bisher in Fontanes Werken und Briefen keine weiterführen­den Hinweise zu finden waren. Um aber einer Deutung näher zu kommen, ist es aufschlußreich, den im Mittelalter entstandenen nament­lichen Beziehungen zwischen Herrschaft und Besitz'nachzugehen, um so auf Orte zu kommen, die auf dievon Werle hindeuten, in denen diese wirksam waren, vielleicht auch ihren Ursprung hatten. Dabei ist zu betonen, daß mit dem Wort vomkleinsten Fürsten dem Sinn des Verses entsprechend nicht er selbst, sondern sein Besitztum, das Land gemeint ist, was das historische Interesse des Lesers in diesem Zusam­menhang besonders erweckt, und daß es dann weiterhin wertvoll ist, nachzuspüren, welche näheren Beziehungen sich bei dem Dichter zu diesen Orten und ihren Landschaften feststellen lassen.

Eine Anzahl solcher Orte sind in beiden deutschen Staaten bekannt. Sie liegen in der Altmarjs, in Mecklenburg, in der Umgebung des Harzes und in Westfalen. Einige von ihnen scheiden von vornherein aus, da sich in ihrer Vergangenheit keine wesentlichen Beziehungen zur Landes- oder weiteren Territorialgeschichte erkennen lassen, denn auf diese kommt es ja nach dem Reim an. Die naheliegende Vermutung, in der Harzlandschaft für diese Untersuchung einen solchen Raum zu finden, in dem sich dieser Teil der Novelle abspielt, führt zur Königspfalz Werla bei dem heutigen Dorf Werla-Burgdorf in der Nähe von Goslar. Sie war im Mittelalter ein bedeutender Vorort des Siedlungsgeländes NordharzHal­berstadtBraunschweig. Seit 926 ist ihr Bestehen nachweisbar. Sie gehört zu den von Heinrich I. gegen die Ungarn errichteten Schutzburgen, an denen diese Landschaft reich ist, und wurde eine bedeutsame große mili­tärische und wirtschaftliche Anlage des sächsischen Herrscherhauses. Hof- und Landtage fanden hier statt, besonders zur Zeit der beiden ersten Sachsenherrscher. Ihre Bedeutung ging erst zurück, als Goslar ihr diesen Vorrang abnahm. An dem wichtigenTag von Werla führte der Staufer Friedrich I. hier den Prozeß gegen den Welfen Heinrich den Löwen, der zu dessen Entmachtung führte (1180). Durch die Abwesenheit der Könige und die Verkleinerung der Gebiete wurde die Pfalz unbedeutender und nur noch von Ministerialen verwaltet, die sich nach dem Ortvon Werla nannten. Sie sind aber so unbedeutend, daß sie in Quellen kaum nach­zuweisen sind.

Zum anderen werden in Kommentaren genannt die Grafen von Werle in Westfalen. Sie nannten sich nach dem Ort und der Burg Werl im Kreise Soest. Es war ein überaus mächtiges Geschlecht, dessen Grafschaftsbereich sich allmählich auf den größten Teil des westfälischen Landes ausdehnte. Durch diese hervorragende Machtstellung sie waren seit 919 Reichs­fürsten sind sie mit der Geschichte dieser Landschaft aufs engste ver­bunden. Diese zeigt ihren Aufstieg so weit, daß man sieGrafen von Westfalen nannte und ihre zwar nur gräfliche Würde der des sächsi­schen Herzoghauses gleichstellte. Als dann ihr Niedergang begann und die Großgrafschaft sich in zahlreiche Territorien zersplitterte, wurden sie zukleinsten Fürsten im Deutschen Reich.

525