Karl Jahn f (Wusterhausen)
Die Einweihung des Neuruppiner Fontane-De nkmals 1907
Ein Erlebnisbericht
Viele Jahre muß ich in Gedanken zurückwandem, um wachzurufen, was noch von der Einweihung des Fontane-Denkmals in meiner Erinnerung ruht Vom Jahr 1907 stehen mir nur noch wenige Erlebnisse mit bildhafter Klarheit und Kraft vor Augen, eines davon ist dies: Das selten schöne Wetter lockte mich rechtzeitig zum Festplatz. Vor mir das Denkmal ist noch verhüllt, rechts davon die Rednertribüne. Der Festzug war vom Paradeplatz, der heute den Namen Ernst Thälmanns trägt, mit klingender Militärmusik herangekommen, hatte sich um das Denkmal gruppiert. Da steht die Regimentskapelle mit ihrem beliebten, recht korpulenten Kapellmeister Heinichen, dort der Seminarchor mit seinem Musikdirektor „Papa“ Seidel, dann der Gymnasialchor. Während ich weitere Gruppen und Vereine und die Ruppiner Persönlichkeiten zu erkunden versuche, ist der Sonderzug aus Berlin eingetroffen, in der Nähe des Rednerpults sind Ehrengäste zu sehen. Die ältere Dame muß des Dichters Schwester sein, daneben, das ist wohl Fontanes Sohn mit seiner Frau. Und jene hohe Gestalt mit den markanten Gesichtszügen, das kann nur der Schöpfer des Denkmals sein, Professor Max Wiese, der viele Jugendjahre in Neuruppin verlebte und ein Freund Fontanes war.
Allmählich füllt sich der weite Platz bis hinüber zum heutigen Papierverarbeitungswerk, zur Zieten- und Fehrbelliner Straße mit dicht an dicht stehenden Zuschauern. Glocken läuten die Feier ein, und während ich noch eifrig umherschaue, spricht schon der Landesdirektor der Provinz Brandenburg. All’ die für mich damas bedeutenden Persönlichkeiten nötigen mir Vierzehnjährigem Aufmerksamkeit und Achtung ab, so daß ich kaum merke, wie eine Dame einen vom Berliner Bürgermeister Dr. Reicke verfaßten Prolog vorträgt, und erstaunt sehe ich die Umhüllung des Denkmals fallen. Noch bin ich in dessen Betrachtung versunken, als Prof. Erich Schmidt schon die Festrede beginnt. Krampfhaft versuche ich ihm zu folgen. Aber der eherne Fontane will immer wieder betrachtet sein. Auch spricht der Gelehrte wohl nicht nur über die Köpfe von uns Jungen hinweg. So entgleite ich dem Vortrag des öfteren. Bald erklingt das Schlußlied des Seminarchors. Kranzniederlegung und Vorbeimarsch der Vereine und Schulen folgen, während die Prominenten schon zum Festessen eilen.
Indem ich diesem Bild nachsinne, werden weitere Erinnerungen wach. Rechtzeitig hatte man umfangreiche Vorbereitungen getroffen. Wochenlang vorher brachten die Zeitungen Berichte und Anekdoten aus dem Leben des Dichters, druckten Auszüge aus seinen Arbeiten und einige seiner Gedichte und Briefe ab. Im Schaufenster einer Buchhandlung wurden sämtliche Werke Fontanes in verschiedenen Ausgaben gezeigt. Eine sehenswerte Fontane-Ausstellung war im Stadtgarten zu sehen.
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