wird, der nicht weiß, wer zum Beispiel Rabelais, Balzac, Victor Hugo oder Flaubert ist, tragen die allgemeinen Angaben über diese und andere Schriftsteller vielfach konventionellen, nivellierenden Charakter. Sie verstellen zudem den Blick auf die wirklich wertvollen Materialien, auf die wesentlichen textlichen Ergänzungen, die nur zum Teil durch das Inhaltsverzeichnis herausgehoben sind. Hochinteressant ist z. B. die Mitteilung die Kritiken ergänzender, sie zum Teil relativierender brieflicher Äußerungen Fontanes, so über Wilhelm Grimm (auf S. 649) oder über Paul Lindau (S. 652). Auf S. 643, innerhalb der Anmerkungen zum Verhältnis Fontanes zu Otto Brahm, wundert man sich dagegen bei Anführung des Briefes vom 20. 10. 1882 an Brahm über den vorzeitigen Abbruch des Zitats, über die Auslassung der kritischen Kernstelle gegen die beschreibende positivistische Methode, die doch mit dem Schluß der Rezension von Brahms Keller-Buch als dem auslösenden Moment für den ganzen Brahm-Exkurs sinngemäß übereinstimmt und zur Bekräftigung dienen müßte. Die Essayistik Hermann Grimms, die ihn auch zu theoretischer Besinnung über den Essay veranlaßte, begrüßte Fontane dagegen als wohltuenden, als Rede geschriebenen urbanen Kontrast zum kleinlichen, unentschiedenen Positivismus der Zeit. 3
Sehr verdienstlich ist zum Beispiel auch auf den Seiten 883 ff. die Mitteilung einer Rezension Eduard Engels über „Das Horn von Wanza“, der zwar wie Fontane den Raabe-Stil undiszipliniert und formlos findet, ihn aber bejaht. Darüber hinaus ergänzt der Abdruck dieser Rezension indirekt die recht sparsame Charakteristik Engels durch die Herausgeber. Sie enthüllt die nationalliberale Grundposition des Mannes, dessen literar- wissenschaftliche Arbeiten (zur französischen Literatur) und dessen Reiseliteratur Fontane sehr warmherzig besprochen hat und dessen auswäh- lend-causeriehafter essayistischer Schreibweise er sich offenbar verbunden fühlte. Möglicherweise hat Eduard Engel auch seinen immanenten, antirhetorischen Tendenzbegriff mitbestimmt/ 1
Zu einer gewissen äußeren Unförmigkeit des zweiten Teilbandes, die durch Verwesentlichung der Erläuterungen und Anmerkungen reduzierbar gewesen wäre, tritt der von den Herausgebern selbst hervorgehobene Mangel nicht durchgängig gewahrter Chronologie in der Anordnung der Essays und Studien, der den Einblick in die Entwidvlung des Literaturkritikers Fontane etwas erschwert, der sich aber aus den Neufunden in der langen Zeit zwischen dem Erscheinen beider Bände hinreichend erklärt. Die vorgebrachten Einwände stellen die philologische Akribie und hohe Repräsentanz dieser Edition nicht in Frage, sie versuchen nur Grenzen zu markieren bzw. zu erklären. Es wäre zu wünschen, daß beide Teilbände auch für den Freund Fontanes, speziell seiner literaturkritischen Beiträge, in der DDR erwerbbar wären.
Leichter erkennbar als Fontanes Entwicklung werden seine Prinzipien, vor allem die des reifen Gestalters und Kritikers. Herausgegriffen sollen einige antithetisch-aktuelle Positionen sein. Da ist zunächst die Auffassung vom künstlerischen Schaffensprozeß als Einheit von „Psychographie und Kritik“ 5 , die heute zum Beispiel bei Joachim Seyppel, der auch Stoff -
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