menschlichen Versöhnung geschaffen werden kann“ (S. 85). Und ebenso wenig kann von „Schicksal“ die Rede sein. Wenn wir recht sehen, meint der Autor damit die unerbittliche Dialektik des sozialen Kampfes in einer Klassengesellschaft, wie ihn Fontane z. B. in „Quitt“ dargestellt hat, mag der Dichter sich dessen auch nicht deutlich bewußt gewesen sein. Den harten Notwendigkeiten des Klassenkampfes wird aber bei Fontane nur äußerlich „Sprache“ entgegengesetzt, dem Wesen nach vielmehr eine verstehende, versöhnliche, humanitäre Ethik, die weder das Recht des Staates (der ein Ausbeuterstaat ist!) noch das des gegen ihn kämpfenden Individuums gänzlich in Zweifel ziehen, sondern ein jedes in gewissen Grenzen zurückweisen und dadurch beide miteinander in Einklang bringen will. Daß die Pastoren und überhaupt alle, die diese humanitäre Ethik verkünden, dazu der Sprache bedürfen, versteht sich, ist aber nicht des Pudels Kern. Statt „Sprache versus Schicksal“ sollte es also, auf „Quitt“ angewandt, besser heißen: Humanitäre Ethik versus Klassenkampf.
Wenn man so die mythisierende Terminologie (das schlechte Erbteil vergangener Germanistik!) durch Begriffe ersetzt hat, hinter denen Tatsachen stehen, dürfte einleuchten, daß der Satz: „Die Gesetzlichkeit, die Kreisbewegung, die Lehnert unter genau den gleichen Umständen sterben läßt wie sein Opfer Opitz, weist auf ein sich erfüllendes Geschick hin, das die sprachlich vermittelte Gnade übersteigt“ (S. 85) mit scheinbar erhabenen Begriffen wie „Geschick“ und „Gnade“ am Eigentlichen vorbeigeht. Denn das Geschick, das sich hier erfüllt, resultiert aus einer in Handlung umgesetzten moralischen Entscheidung des Dichters, der sich nicht entschließen konnte, Lehnerts (individuelle!) Auflehnung gegen den Klassenstaat zu rechtfertigen oder doch zu verzeihen. Wir können uns an dieser Stelle nicht auf eine Bewertung von „Quitt“ einlassen, sondern möchten nur bemerken, daß man, wenn man politisch und poetisch auf einem anderen Standpunkt steht, diesen Ausgang wohl wegen seiner „prosaischen Gerechtigkeit“ anfechten und statt dessen eine „poetische Gerechtigkeit“ verlangen kann, wie das Paul Heyse in seinem Brief an Fontane vom 15. 12. 1890 getan hat. Das wäre immerhin noch diskutabel. Keinesfalls aber darf man den Ausgang der „Quitt“-Handlung in mythische Bereiche verflüchtigen. Denn damit verläßt man den festen Boden des Realismus, auf dem Fontane gestanden hat und von dem her er verstanden werden muß.
— Dr. Joachim Krueger —
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Die Tagebücher von Thomas Mann
Zürich (ADN). Vier versiegelte Pakete mit den Tagebüchern Thomas Manns aus den Jahren 1933 bis 1955 wurden jetzt, 20 Jahre nach dem Tode des Schriftstellers, geöffnet. Wie der Leiter des Thomas-Mann-