von Fontanes Vater. Also haben weder Theodor Fontane noch seine Schwestern ihre leibliche Großmutter gekannt. Vielmehr haben sie nur die dritte Frau des Großvaters kennengelernt. Als sie starb, war Jenny Fontane immerhin 20 Jahre alt, während Eliese erst 5 Jahre zählte. So ist es wohl zu erklären, daß die Schwestern die dritte Frau des Großvater ohne jeden Zusatz „unsere treuliche Großmutter“ nennen. Eigentlich waren die Koch- und Backrezepte, die die Verfasserin 108 Jahre früher niedergeschrieben hatte, nur für den Hausgebrauch bestimmt und nicht für „fremde Augen“ gedacht. Wenn die Herausgeberinnen sie dennoch „an die Öffentlichkeit... ziehen“, so verfolgen sie damit einen doppelten Zweck. Einmal wollen sie dartun, „daß man schon um das Jahr 1800 in Berlin einen feinen Tisch mit Beigabe von Delikatessen aller Art sehr wohl kannte und zu würdigen wußte“, wie es im Vorwort heißt. Sie wollen damit der Auffassung entgegentreten, „als sei im ,armen“ Preußenland um die Wende des 18. Jahrhunderts bis weit über die Märztage hinaus ein feinerer Geschmackssinn nicht ausgeprägt gewesen“. Es ist also eine kulturpatriotische Absicht, von der sich die Schwestern leiten lassen, ähnlich der, die Theodor Fontane verfolgte, als er die „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ konzipierte.
Alsdann schreiben sie dem Kochbuch aber auch einen „praktischen Wert“ zu. Denn die „Hausfrau von 1904“ werde, so meinen sie, nach den alten Rezepten „gar manches Gericht, das jetzt von unserm Tisch verschwunden ist, ... versuchsweise ihrem Repertoire wieder einverleiben und durch Anwendung moderner Hilfsmittel vielleicht dauernd zur Geltung bringen.“
Weder wissen wir noch wollen wir untersuchen, ob das geschehen ist. Genug, daß es hätte geschehen können. Denn das großmütterliche Kochbuch, das 231 Seiten umfaßt, ist zumindest recht reichhaltig. Es bietet 403 Rezepte, nach denen man Suppen, Gemüse, Fisch- und Fleischgerichte sowie Soßen zubereiten, Pasteten, „Büddings“ und Mehlspeisen, Kuchen, Torten und anderes Gebäck backen oder anrichten kann. Es gibt ferner Anweisungen, wie man Gelee, Kompott, Gefrorenes und Eingemachtes zustande bringt, um mit einigen anderen Rezepten abzuschließen, aus denen wir lernen, „Rosenwasser zu machen“ oder „gute weiße Seife in weniger Zeit zu kochen“.
Da die Herausgeberinnen die „Schreib- und Redeweise der Originalhandschrift“ absichtlich unverändert gelassen haben, wird man in diesem Zeitdokument, wenn man schon nicht danach kocht, doch mit Vergnügen lesen, so daß Fontanes Stiefgroßmutter ohne Absicht und Zutun fast unter die Schriftsteller geraten ist.
Drei Proben mögen das illustrieren:
Zitronen-Suppe
Man nimmt auf 8—10 Personen 6 Zitronen, schälet sie und ziehet das Weiße rein ab. Alsdann schneidet man sie in Scheiben, tut die Körner heraus, von 2 Zitronen die Schale, eine Stange Zimmt, und dann gießet man kochendes Wasser darauf und lässet sie tüchtig kochen. Wenn dieses geschehen, schlüget man sie durch ein Haarsieb oder feines Tuch und
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