rin des Professors, die tapfere Witwe des Berliner Polizisten Schmolke. Was Corinna nicht vom Vater, der die Position des Nichteinmischens innehat, überliefert bekommt, gibt ihr die gute Schmolke, deren Humanität und ethische Forderungen in Erstaunen setzen. Corinnas Intellekt entwickelt sich unter dem Einfluß des Vaters, aber ihr moralisches Empfinden wird von dieser an inneren Werten reichen Frau gebildet. Sie hilft Corinna aus der verworrenen Lage heraus. Aus der Schmolke spricht der gesunde Sinn und die Moral der einfachen Menschen.
Im Anschluß an „Frau Jenny Treibei“ beendete Fontane nabh sehr kurzer Zeit die „Poggenpuhls“ (1892). Beide Romane stehen in der künstlerischen Absicht und im Thema miteinander in Wechselbeziehung, da jeder die oberen Stände des deutschen Imperiums darstellt. Im ersten Roman verspottet Fontane die Bourgeoisie, im zweiten gibt er ein kritisches Bild des Adels. Allerdings war Fontanes Beziehung zum Adel komplizierter als sein Verhältnis zur Bourgeoisie. Die Treibeis zeichnet er ohne eine Spur von Mitgefühl; bei der Darstellung der Poggenpuhls wandelt sich die scharfe Satire oft in gutmütigen Humor. Wie Balzac bewahrte Fontane eine gewisse Sympathie für manche Vertreter des Adels, für ihre Traditionen und ihre Kultur. Besonders deutlich zeigt sich dies in der Gestalt des ehrenhaften und großmütigen Generals a. D. Eberhard von Poggenpuhl, eines Nachfolgers solcher Figuren wie Bamme in „Vor dem Sturm“ oder Baron Osten in „Irrungen-Wirrungen“. Doch zeigt Fontane genau wie Balzac mit realistischer Deutlichkeit den hoffnungslosen Zerfall des konservativen Adels, seine historische Überlebtheit und die Unmöglichkeit einer Wiederkehr feudaler Lebensformen.
Das Nichtübereinstimmen von standesgemäßen Prätensionen mit den mehr als bescheidenen Mitteln, die Verbindung aristokratischen Stolzes mit erniedrigender Armut, die häusliche „Siegesallee“ — nämlich die Porträtgalerie der Vorfahren — einerseits und das Fehlen des Geldes für ein Eisenbahnbillet dritter Klasse andererseits — all das ist Ursache der komplizierten und unbeständigen Tonalität der Erzählung, des Übergangs von Szenen, die von Elegie durchweht sind, zu Situationen voll grotesker Komik. Der Autor erkennt durchaus die lächerlichen Seiten aristokratischer Prätensionen, den Anachronismus mottenzerfressener junkerlicher Ideale, die Museumsreife ihrer Traditionen und Lebensformen. Und Fontane sieht auch etwas anderes: ein Sich-dem-Gang- der-Zeit-Entgegenstellen kann nicht von langer Dauer sein, der Prozeß der Deklassierung des Adels schreitet fort. Darin liegt der Sinn der Episode mit von Klessentin, der die traditionelle Offizierskarriere mit der eines zweitrangigen Schauspielers vertauscht hat. Wer in seinen Anschauungen verharrt und nichts dazugelernt hat, wie Therese, ist zum Untergang verurteilt, während ihre Schwestern Sophie und Marion, kluge Mädchen ohne Anmaßung und Hochmut, einen neuen, von der Notwendigkeit diktierten Weg beschreiten.
Von 1890 bis 1894 schrieb Fontarie gleichzeitig mit anderen Werken den Roman „Elfi Briest“. Auf der Suche nach Handschriften fand Fritz
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