Heft 
(1976) 24
Seite
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kratische Aktualität des Themas an. Die Schilderung der Massenhin­richtung der Aufständischen 1402 in Hamburg schloß in einem Entwurf von 1883 mit Worten, die zweifellos vomKommunistischen Manifest inspiriert waren:Das Gespenst, das in Marienhafe umgeht. Das ist Klaus Störtebeker, der in Marienhafe umgeht. Aber durch die Welt geht das Gespenst der Likedeeler. 15

In unvergleichlich höherem Maße als irgendeiner seiner Zeitgenossen hat Fontane das Provinzielle des deutschen kritischen Realismus über­wunden. Ohne Illusionen über das Althergebrachte und frei von reak­tionären Utopien begrüßte er alles Fortschrittliche, erkannte die Ver- derbheit der damaligen Gesellschaftsordnung und erwartete eine neue, bessere Welt durch Aktivität des vierten Standes. Er fand die Kraft, das Sturmeswehen der Geschichte, mit dem das Alte hinweggefegt wird, zu begrüßen. Wenn auch die mutigen und weitsichtigen Äußerungen in Fontanes privaten Briefen sich nicht direkt in seinen Werken wider­spiegeln, so enthalten doch die besten von ihnen ein ungewöhnlich realistisches Bild der alten Welt, die unausbleiblich dem Untergang geweiht war.

In diesem Sinne ist in Fontane der Übergang vom alten kritischen Realismus zum Realismus des 20. Jahrhunderts verkörpert. Thomas Mann, der Fontanes Werke gut kannte und sie verehrte, ist sein unmit­telbarer Nachfolger. Fontanes Hauptthema, das Thema der Entartung und des Zerfalls der bürgerlich-adligen Welt, ging auf Thomas Mann über. Vor allem durch ihn, später auch durch Georg Hermann, Hans Fallada und einige andere ging das fruchtbringende Erbe Fontanes in den deutschen Realismus unserer Tage ein.

Anmerkungen

Das russische Original dieses Artikels vgl. in der Einleitung zu: Teodor Fontane,

Sach fon Vutenov. Puti-Pereputja. Gospoza Zenni Trajbel (Theodor Fontane,

Schach von Wuthenow. Irrungen-Wirrungen. Frau Jenny Treibei), Moskau 1971,

S. 3-24.

1 Th. Fontane, Die gesellschaftliche Stellung der Schriftsteller. In: Schriften zur Literatur. Hg. von 33--H. Reuter, Berlin 1960, S. 117.

2 Paul Rilla, Fontanes erzählerisches Spätwerk. In: Essays, Berlin 1955, S. 162.

3 Marx/Engels, Werke, Band 37, Berlin 1967, S. 44.

4 Fontanes Briefe in zwei Bänden. Ausgew. von G. Erler, Band 2, Berlin und Weimar 1968, S. 300.

5 Ebenda, S. 398.

6 Ebenda, S. 379.

7 Ebenda, S. 395 f.

8 Th. Fontane. Schach von Wuthenow. In: Romane und Erzählungen in acht Bänden, Berlin und Weimar 1969, Band 3, S. 393, 377 und 507.

9 Fontanes Briefe in zwei Bänden, Band 2, S. 168.

10 Th. Fontane, Irrungen-Wirrungen. In: Romane und Erzählungen in acht Bän­den, Berlin und Weimar 1969, Band 5, S. 33.

11 Fontanes Briefe in zwei Bänden, Band 2, S. 33.

12 Th. Fontane, Von Zwanzig bis Dreißig. In: Sämtliche Werke, Band XV, Mün­chen: Nymphenburger Verlagshandlung 1967, S. 14. ___

13 Th. Fontane, Frau Jenny Treibei. In: Romane und Erzählungen*in acht Bänden, Berlin und Weimar 1969, Band 6, S. 430 und 345 f.

14 Das Fontane-Buch. Hg. von Ernst Heilborn, Berlin 1921, S. 193.

15 Th. Fontane, Sämtliche Werke. Bd. 5, München: Carl Hanser, 1966, S. 1097.

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