Heft 
(1976) 24
Seite
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So war er besipielsweise einer der regsten Propagandisten für die Natio­nalspende zugunsten Freiligraths, und in der Geschichte der Deutschen Schillerstiftung hat er zweifellos eine gute Figur gemacht, wofür allein der vorliegende Briefwechsel einige aufschlußreiche Fakten gibt. Heyse bewies überdies in zwei kulturpolitischen Skandalen seine Redlichkeit. 1887 trat er demonstrativ aus demKapitel des Maximiliansordens für Kunst und Wissenschaft aus, als die Mitgliedschaft des einstimmig gewählten Ludwig Anzengruber aus politisch-klerikalen Gründen vom bayerischen Hof nicht bestätigt wurde. Und als wenig später der erbärm­liche Streit um das Denkmal Heinrich Heines in Düsseldorf entbrannte, bekannte sich Heyse als einer der wenigen bürgerlichen Intellektuellen zu Heine. Auch im Verhältnis zu Fontane erwies er sich mehrfach als nobler Charakter, und Fontane hat Heyse die freundlichen Gesten und diehülfebereite Liebe hoch angerechnet. Heyse, der etablierte und renommierte Autor mit einflußreichen Beziehungen, war stets bereit, sich für den Berliner Freund zu engagieren. Schon der Beginn der Korrespondenz ist ja mit dem Versuch Heyses verknüpft, einen Verleger für Fontanes Gedichte zu gewinnen. Später überzeugte seine warm­herzige Fürsprache Wilhelm Hertz, Fontanes Balladen herauszubringen. Und vor allem suchte er 1859 dem mittel- und stellungslosen Fontane einen einträglichen Posten in München zu verschaffen. Fontane, der sich damals in einer verzweifelten Situation sah, hat Heyse für diesen Soli­daritätsbeweis stets ein Gefühl lebhafter Dankbarkeit bewahrt und seine eigentliche Freundschaft erst mit diesem Jahr datiert. Das Projekt selbst zerschlug sich, und Fontane hätte sich wohl kaum mit der sterilen Atmosphäre bei Hofe abgefunden. Die Beschaulichkeit der Münchener Residenz, die partikularistischen Bestrebungen Bayerns waren nicht nach seinem Geschmack. Es war ihm wie er an Heyse schrieb nach seinem Londoner Aufenthalt zum Bedürfnis geworden,an einem großen Mittel­punkt zu leben, in einem Zentrum, wo entscheidende Dinge geschehen .. Andererseits leistete auch Fontane vielfach kollegiale Hilfe. Er unter­stützte Heyse gern und ausgiebig, wenn es um märkische Details ging. Krischans Platt imRoman der Stiftsdame ist Fontanes Platt, und Colberg und dieFranzosenbraut,Hans Lange und manches andere Werk gingen vor der Veröffentlichung erst einmal durch die Hand des älteren Kollegen.

Indes dürften die Versicherungen treuer Anhänglichkeit und unver­änderter Hochschätzung, die Fontane seinemlieben Paul ebenso frei­gebig spendete wie Heyse seinemliebsten Theodor, nicht über das Problematische der Verbindung täuschen. Denn es sind kaum schroffere Gegensätze im Leben wie im Dichten denkbar, und vielleicht war es gerade die Polarität, die Fontane immer wieder reizte. Wo immer man die beiden Autoren vergleicht, treten die Widersprüche zutage. Beim äußeren Lebenszuschnitt fängt es an. Heyse war der Beau unter den Schriftstellern der Zeit, diewohlkonservierte Persönlichkeit. Porträts und Fotos zeigen ihn nie ohne Pose. Die hohe Stirn, die ebenmäßigen Gesichtszüge, der üppige Vollbart, die gepflegte Künstlermähne das

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